Dienstag, 17. Juni 2014

Über Effektivität

Herzog will was sagen, allein er weiß nicht, was!

 Die USA üben sich in Effektivität, und Herzog wird dafür vom ORF gelobt. Ghana bleibt unglücklich aber fleißig. Und warum die WM auch im Großen gesehen sehr effektiv ist.


Ein unsympathischer Titel für einen Blog-Eintrag ist das schon. "Über Effektivität", das klingt nach einer ausholenden abstrakten Erörterung; da kann man sich nichts drunter vorstellen, das langweilt schon im Vorhinein, ja eigentlich ist das unbedingt zu vermeiden! Aber der Begriff Effektivität ist nunmal einer, der sich schwerlich ersetzen lässt; und weil das Thema hier eben jene Effektivität sein soll, hält sich schon der Titel ans Thema: Er erklärt kurz und bündig, worum es geht. Ohne Metaphern, ohne Ausweichen. Dass der Begriff ein abstrakter ist, kommt in diesem Fall nur gelegen. Es geht nämlich um zwei Arten der Effektivität: Die spielerische und die dramaturgische.

"Effektiv haben sie gespielt", hört man meist, wenn eine Mannschaft für das Spiel genau gar nichts getan, aber mit einem Tor Unterschied gewonnen hat. Es hört sich beschönigend an, als würde man den Gammelfußball in Schutz nehmen wollen. Und meistens ist mit dem Prädikat "effektiv" auch genau das erreicht. Denn es ist effektiv, wenn man Kräfte schont, nur das Nötigste macht, und am Ende drei Punkte aus dem Spiel mitnimmt. Effektiv ist aber selten schön. Effektivität hat keinen Platz für Fehler, für Ungereimtheiten und ist deshalb per se unspannend. Das spanische Spiel etwa war vielleicht oft im Ergebnis effektiv, die Spielgestaltung aber war es nicht: Ständig den Ball zirkulieren lassen, ständig hochkonzentriert, aufwändige Pass- und Laufwege bis am Ende endlich der Torerfolg stand. Aber auch das holländische Spiel ist nicht effektiv, weil es vom Versuch lebt. Es wird versucht, und wenn etwas gelingt, ist es großartig. Wenn es aber nicht gelingt, schlittert man ganz schnell in die Katastrophe. "Vorne mehr Tore schießen als hinten bekommen", das ist nicht effektiv, aber es ist aufregend! Es ist zumindest besser als "hinten nichts bekommen und vielleicht vorne eins reinmachen".

GHA - USA 1:2


Warum ich hier über Effektivität doziere? Weil das Team USA gestern ein höchst effektives Spiel abeliefert hat. Nach 30 Sekunden stand es 1:0 für die US-Boys, und dann reichte es, diese Führung 82 Minuten lang zu verteidigen. Die Möglichkeit eines späten Gegentreffers ist in dieser Rechnung immer mit drin. Meistens setzt man darauf, dass Frust und Müdigkeit den Gegner mürbe machen und so mit Fortdauer der Spielzeit die Wahrscheinlichkeit für ein Gegentor sinkt. Nicht so bei Ghana, die unbeirrt über 80 Minuten konstant auf das amerikanische Tor spielten (21 Schüsse waren es insgesamt am Schluss). Allein, es fehlte der letzte Kniff, ein bisschen Glück, bis Ayew in Minute 82 endlich endlich das 1:1 machte. Ich hätte zur Mitte der zweiten Halbzeit sogar noch auf einen Sieg Ghanas gewettet, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass das US-Team dem Ansturm so lange stand hält.

Doch vier Minuten später, die US-Amerikaner nahmen fast widerwillig wieder am Spielgeschehen teil, köpfte nach einem Eckball Team-Neuling Brooks zum 2:1 ein. Da tat mir Ghana Leid - wieder einmal wurde der Fleiß nicht belohnt. Für die USA war es das: Ein Tor in der 1. und eines in der 86. Minute waren genug für den zwischenzeitlich zweiten Platz in der Gruppe G. Unverdient? Jein, denn in der ersten Hälfte fand das Spiel doch in zwei Hälften statt. Da machten die Amerikaner noch mit und kamen auch zu einigen Chancen auf das 2:0. Nach der Halbzeit aber wurde nur noch verteidigt, und das ziemlich gut, weil spielerisch. Das ist kein Riegel-Holzen, das ist ein dynamisches und aktives Hintendrinstehen mit Anfälligkeit für Fehler. Die verstand Ghana zu wenig zu nutzen. Der Trost, dass Ghanas Tor eines der schönsten bisher war, wird den Afrikanern dennoch nur ein geringer sein.

Für Klinsmanns (und Andi Herzogs, wie der ORF nicht müde wurde zu betonen) Mannschaft war dieser Sieg wichtig, vor allem in Hinblick auf die schwache Leistung Portugals. Portugal kommt zerstört und geschwächt aus dem Auftaktspiel, aber auch die USA mussten drei Mal verletzungsbedingt wechseln, was freilich kein gutes Vorzeichen für die kommenden Spiele ist. Ghana kann im Prinzip nur noch auf irgendetwas nicht in ihrer Macht Liegendes hoffen, denn gegen Deutschland wird man sich nur schwerlich drei Punkte holen können.
Für mich persönlich ist es schade, dass Ghana und USA in einer so schweren Gruppe gelandet sind, da mir beide Mannschaften immer imponieren. Das sind Fußballnationen aus der dritten Reihe, knapp vor den Zwergen anzusiedeln, die aber spielen wie welche aus der ersten. Dieses Selbstbewusstsein wäre bei Kroatien, Bosnien oder Nigeria auch gut aufgehoben.


IRA - NIG 0:0


Dass in diesem Spiel insgesamt von beiden Mannschaften weniger Schüsse gekommen sind als in der eben besprochenen Partie, ist nicht verwunderlich. War dies doch die eigentlich "lang ersehnte" erste schlechte Partie dieser WM. Eine programmierte Fadesse zur Hauptabendzeit ist schon eine Frechheit. Nach den großartigen Partien der letzten Tage hatten wir aber die stille Hoffnung, diese Paarung zweier Halblustiger könnte sich doch zu einem ansehnlichen Schlagabtausch entwickeln. Weit gefehlt! Das war kein Fußballspiel, das war Sendezeitverschwendung! Das erste Unentschieden, das erste torlose obendrein, hat mir aber wenigstens Zeit gegeben, mich ein bisschen von den nervlichen Strapazen des Deutschland-Spiels zu erholen.

Und doch war es effektiv! Anstatt müde Partien gleichmäßig auf alle Gruppen aufzuteilen, hie und da ein Unentschieden einzustreuen oder ein glückliches 1:0, entschied sich diese Weltmeisterschaft, das alles in ein Spiel zu stecken, von dem sich sowieso keiner was erwartet hat. Clever, und wiederum sehr effektiv, wenn man es vom Dramaturgischen her betrachtet. Für die Gruppe F heißt das Unentschieden nämlich auch noch genau gar nichts, höchstens, dass sich Bosnien (rein spielerisch) Hoffnungen auf zumindest den dritten Platz machen darf.

Wenn meine Vermutung über die Effektivität stimmt, dann geht es heute munter weiter mit dem heiteren WM-Geballere. Auf dem Spielplan steht nämlich Mexiko gegen Brasilien (huch, wir sind schon einmal durch?) und der erste Auftritt des großen Geheimfavoriten Belgien, das sich gegen Algerien aufwärmen darf. Auch heute dürfen wir wieder früher ins Bett, weil zu später Stunde Russland gegen Südkorea spielt und wir, selbst wenn das ein tolles Spiel werden sollte, nicht allzu viel versäumen werden. Sag ich jetzt mal so. Weil die Gruppe H die Jammergruppe ist. Außer Belgien - aber das wissen ja eh alle.


Held des Tages:

Asamoah Gyan, der unermüdliche Rackerer, hat sich mit seiner Vorarbeit zum 1:1 für Ghana einmal mehr unsere Sympathien verdient. Er ist Afrikas bester Fußballer, auch wenn das objektiv nicht stimmen mag.


Buhmann des Tages:

 Andi Herzog, der vom ORF gehypte Co-Trainer von Team-USA. Er hat eigentlich nichts gemacht, aber wenn er dafür vom ORF so gelobt wird, kann er ruhig an dieser Stelle genauso unbegründet Buhmann werden.

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