Montag, 9. Juni 2014

Der Favorit und die Schwierigen

Wäre die WM ein bisschen mehr wie Nintendo World Cup, hätten wir sicher auch mehr von der Gruppe A.


Das Schöne an einer Fußball-WM ist schon das vergnügte Glucksen, wenn man sich die Gruppenpaarungen der Vorrunde ansieht. Die Gruppe A gibt da einen guten Vorgeschmack. Weltmeisterschaft, das verspricht immer auch Exotisches, seltsame Begegnungen und Vielfalt, sowohl auf als auch abseits des Feldes. Brasilien, Kroatien, Mexiko und Kamerun sind die Kombattanten in dieser Gruppe, und sie repräsentieren schon vier der sechs FIFA-Kontinentalverbände. Im Normalfall treffen sich Nationalmannschaften aus zwei verschiedenen Kontinentalverbänden eher selten, da die jeweiligen Meisterschaften und Qualifikationen ja innerhalb dieser Verbände ausgespielt werden. Umso schöner, wenn man bereits in der Vorrunde eine größere Vielfalt vorfinden kann:

Brasilien, als Heimmannschaft Gruppenkopf und logischer Favorit auf den Gruppensieg, geht einmal mehr das Projekt Hexa an: will also den sechsten Weltmeistertitel für die Selecao holen. Vor vier Jahren vermasselte ihnen Holland an einem denkwürdigen WM-Tag die Tour. Dieses Duell wartet diesmal eventuell schon im Achtelfinale auf uns. Obwohl ich da meine Zweifel habe (die sich aber nicht auf Brasilien beziehen).
Das Heimteam zu sein, ist bekanntlich Fluch und Segen zugleich. Einerseits kennt man die Bedingungen und hat das ganze Land hinter sich, andererseits sind die Erwartungen riesig. Riesig, weil Brasilien immer zum engen Favoritenkreis gehört. Riesig, weil man sich nicht vorstellen kann, dass jemand anderer als die Fußballnation schlechthin die WM im eigenen Land holt. Riesig auch, weil die Mannschaft stimmt und die Vorbereitung gepasst hat.
Diese WM wird die WM Brasiliens, weil sie entweder heldenhaft die Erwartungen erfüllen, oder aber ganz bitter ausscheiden - und wenn es erst im Finale ist. Brasilien ist unser Protagonist, und wir werden den Weg der Selecao gespannt verfolgen, egal ob wir Fan sind oder nicht.

Das letzte Mal war Deutschland Gastgeber und Favorit zugleich. Wir erinnern uns an das "Sommermärchen" von 2006, an das erste halbwegs sympathische deutsche Team seit Jahrzehnten, an Klinsmanns Hemd, an Kahns Patzer. Davor war 1990 Italien im eigenen Land Mitfavorit (nicht, weil sie damals so gut waren, sondern weil sie es immer sind). Daran erinnere ich mich aber eigentlich gar nicht. Frankreich gewann 1998 die WM zu Hause, was großartig war, aber vorher nur wenige zu tippen gewagt hätten. Der Semifinaleinzug von Südkorea vier Jahre später war eine echte Sensation. Von Südafrika als Gastgeberland bleibt hingegen nur die Erinnerung eines sympathischen Auftritts. Mehr hatte man sich ja auch nicht erwartet.

Brasilien spielt in einer Gruppe, die vielleicht interessanter aussieht als sie eigentlich ist. Kroatien hat bei der Euro vor zwei Jahren großartigen Fußball gespielt, hatte aber leider in einer schweren Gruppe mit den späteren Finalisten Spanien und Italien keine Chance auf den Aufstieg. Vor vier Jahren waren sie nicht dabei, und so steht Kroatien das erste Mal seit 2006 auf einer WM-Bühne. Damals standen sie übrigens auch mit Brasilien in einer Gruppe. Diesmal ist mit ihnen zu rechnen, allerdings droht ihnen im Falle eines Aufstiegs eine Achtelfinalbegegnung mit Spanien...

Auch Mexiko hat Aufstiegschancen, allerdings ist von der Qualität, welche die Mannschaft noch vor vier Jahren hatte, nicht mehr so viel übrig. Damals scheiterte man nach einer guten Vorrunde im Achtelfinale gegen Argentinien. Ich habe ihnen gewünscht, beim nächsten Mal mehr Glück mit der Zulosung in der KO-Phase zu haben. Wie es jetzt aussieht, wurden meine Wünsche nicht erhört. Aber schon ein zweiter Gruppenplatz wäre ein durchaus achtbarer Erfolg - mit dem aber nur wenig gewonnen ist, weil gegen Spanien eben nichts drin sein wird.

Kamerun, das sind die, gegen die man bei Nintendo World Cup immer als erstes spielen musste. Außer, man war richtig gut und wählte selber Kamerun, was jedoch nur die wenigsten taten. Kamerun war die große afrikanische Enttäuschung bei der letzten WM. Im Vorfeld gab es Querelen mit Eto'o, der zunächst gar nicht mitspielen wollte, es letztlich doch tat, was aber nichts brachte. Schließlich schied man mit 0 Punkten in der Gruppenphase aus. Was blieb, war die Erkenntnis, dass es nur geht, wenn man als Mannschaft aufzutreten versteht. Ich sehe Kamerun auch dieses Mal nicht im Achtelfinale, aber wie bei jeder WM werden sich ein paar Alternative ein Kamerun-Dress kaufen und Eto'o wird für irgendeinen Wirbel gut sein. Vielleicht geht sich ein dritter Platz aus.


Wie gesagt, die Gruppe sieht interessanter aus als sie ist. Das liegt eben an der Klasse des Gruppenfavoriten und an den geringen Aussichten, die der Zweitplatzierte für das Achtelfinale hat. Insofern muss man die Gruppe A quasi mit der Gruppe B mitdenken, denn erst wenn dort Unvorhersehbares passiert (Spanien also nicht aufsteigt), wird es hier spannend.


Worauf wir uns freuen können:
Sicherlich wird es interessant sein zu sehen, wie sich der Favorit einspielt. Da ist Brasilien schwer auszurechnen. Werden es disziplinierte, abgeklärte Auftritte, oder will man mit dem bald in Vergessenheit geratenen Zauberfußball das heimische Publikum begeistern? Was Brasilien draufhat, haben sie im Confed-Cup bewiesen, als Weltmeister Spanien mit 3:0 besiegt wurde. Diese Mannschaft enttäuscht fußballerisch nur selten!
Ich würde mich auch über ein überraschendes Mexiko freuen, auch wenn die Chancen dafür gering sind.

Was wir lieber nicht sehen wollen:
Ein zerfahrenes Kamerun, ein zu steifes Kroatien, ein vermaledeites Mexiko. Brasiliens Gruppengegner haben genau gar nichts zu verlieren, also könnte man (mein Vorschlag) einfach mal so drauflos spielen. Fußball funktioniert aber heutzutage nicht mehr so, weil er (no na) auf Kosten-Nutzen-Rechnung setzen muss, um erfolgreich zu sein. Ein bisschen mehr Nintendo World Cup täte da gut. Aber das spielt ja heutzutage auch keiner mehr...

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