Montag, 28. Juni 2010

Bloemfontein wird Hollywood

Das Runde muss in‘s Eckige bzw. Tor ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.

USA -GHA 1:2 n.V.


Fußball ist eben doch nicht Hollywood, zumindest nicht im amerikanischen Sinn. Das mussten die US-Boys am Samstag spüren. Es war ein Match, das man mit gemischten Gefühlen verfolgte. Auf der einen Seite die Kampfmannschaft der USA, die in der Vorrunde trotz aller Widrigkeiten sich doch ins Achtelfinale kämpfte. Auf der anderen Seite die letzte verbliebene afrikanische Mannschaft, Ghana, die beweisen mussten, dass sie auch aus dem Spiel endlich einmal treffen können. Und dann die große dramatische Wende: Tatsächlich erzielten die Ghanaer zwei Tore aus dem Spiel; und was für welche! Die Amerikaner begnügten sich hingegen mit der bisher ghanaischen Spezialität: dem sicher verwandelten Elfmeter. Das Spiel bescherte uns die erste Verlängerung dieser WM und die Hoffnung darauf, dass es für die Afrighana doch noch zu einem versöhnlichen Ende kommen möge.

Jetzt geht es aber erstmal gegen Uruguay - sicherlich eine schwierige aber lösbare Aufgabe. Schön, dass wir eine dieser beiden Mannschaften im Halbfinale sehen dürfen!


URU - KOR 2:1


Die Urus sind souverän und haben auch gegen die Südkoreaner nichts anbrennen lassen. Sie spielen ohne den ganz großen Glanz, aber dafür mit umso mehr Substanz. Sie haben mit Forlán und Suárez zwei super Torjäger, um die andere Mannschaften ihnen sicherlich neidig sein können. Spielerisch sind sie eine solide Mixtur aus technischer Eleganz und Sicherheit, nur: Bisher wurden sie noch von keiner Mannschaft ernsthaft geprüft. Die Urus könnten sich ins Finale mogeln und dann ist wie immer alles möglich. Aber zuerst warten als mögliche Gegner Holland, Brasilien oder Chile - allesamt Kandidaten, die zum Problem werden können (die Slowakei nehme ich erstmal raus). Irgendwann vor Beginn habe ich angemerkt, dass Uruguay zu dem erlesenen Kreis jener Mannschaften gehört, die schon mal Weltmeister waren, hab sie aber zusammen mit Frankreich als vernachlässigbar eingestuft. Das hat sich als fataler Irrtum erwiesen, den ich aber gerne eingestehe.


GER - ENG 4:1


Eigentlich wollte ich nichts über das nicht gegebene Tor schreiben und dass sich die Wembley-Geschichte damit erledigt hat. Aber irgendwie kommt man nicht drum herum, weil das Spiel schon vorher diesen Klasse-Charakter hatte, wie immer, wenn große Mannschaften aufeinander treffen - man weiß, dass da Großes passieren kann und wird. Auch diesmal war es so. Nach anfänglichem verhaltenen Abtasten erlebten wir eine aufregende Partie, deren Bestandteil eben auch dieses Bloemfontein-Tor war. Endlich hat es der schönste aller südafrikanischen Städtenamen in die Riege der skandal- und sensationsträchtigen Städte geschafft (Gijon, Cordoba, Wembley (OK, hierbei handelt es sich um einen Stadtteil)) und endlich hat die WM den richtig großen Skandal, nachdem es schon so viele kleinere gegeben hat. Leider ist aber auch das ein relativer Skandal, denn dafür war das Ergebnis dann doch zu deutlich. Hätte Deutschland 2:1 gewonnen, ja dann wär das natürlich was anderes gewesen. Freilich, jaja, der Spielverlauf hätte natürlich auch anders ausgesehen, aber das hilft ja am Ende auch nix, wenn man dann noch zwei Tore bekommt und keines schießt. Dafür haben wir dann bei der nächsten WM noch ein paar Schiedsrichter mehr, die Sachen übersehen können und dann gibt's noch mehr Dramatik und Aufreger.

Ich finde es wichtig festzuhalten, dass mit Deutschland in jedem Fall jene Mannschaft im Viertelfinale steht, die insgesamt den besseren Fußball gespielt hat (nicht nur im gestrigen Spiel). Und es steht die interessantere Mannschaft im Viertelfinale, nicht ein Haufen Spieler, die weder in Form, noch gut aufeinander abgestimmt sind und der seine Existenzberechtigung größtenteils mythologisch rechtfertigt und weniger durch guten Fußball.


ARG - MEX 3:1


Weil wir gerade bei Mythos sind: Argentinien ist wieder eine Runde weiter und auch das ist gut so. Auch wenn es hier noch deutlicher war, dass das erste Tor für Argentinien den Spielverlauf komplett verändert hat. Bis zum Abseits-Treffer von Tevez war nämlich Mexiko die bessere und gefährlichere Mannschaft. Wer sich aber von so einem Gegentreffer gleich die Hosen ausziehen lässt und daraufhin einen kapitalen Fehler fabriziert, der zum 0:2 führt, darf sich aber am Ende auch nicht aufregen, dass er ausgeschieden ist. Mexiko hat auch bei dieser WM wieder eine attraktive Vorrunde gespielt und wahrscheinlich machen sie das auch bei der nächsten WM und vielleicht haben sie dann ein bisschen mehr Glück mit der Zulosung im Achtelfinale.

Aber Argentinien hat wieder nicht wirklich überzeugt. Freilich spricht das 3:1 für sich, doch da muss man jetzt fast wieder 2 Tore abziehen. Das erste Tor, weil's Abseits war und das zweite Tor, weil es aus einem dummen Fehler der Mexikaner heraus passiert ist, den man selber nicht echt erzwungen hat.Fairerweise muss man aber auch wieder sagen, dass, stellt man schon solche Milchmädchenrechnungen an, das dritte Tor schon fast wieder doppelt zu zählen ist, weil Tevez hier einer der wenigen echt guten Schüsse bei dieser WM gelungen ist. Ich bin ja auch kein Fan von Jabulani-Bashing, aber wenn man sieht, wie hier Top-Spieler, die bekannt für Schüsse, Flanken oder weite Pässe sind, regelmäßig die einfachsten Sachen versemmeln, dann kann mit dem Ding einfach irgendwas nicht normal sein. Gut, dass es dann wieder Spieler gibt, denen der eine oder andere tolle Schuss gelingt und die damit ein Tor erzielen, ganz ohne Tormannfehler oder Abfälscher.


Mal sehen, wie diese WM zu Ende geht, denn momentan scheint Fußball ein bisschen zu sehr Glückssache zu sein.

Samstag, 26. Juni 2010

Randnotizen

Einige Spiele, einige Spieler und einige Mannschaften sind nicht der Rede wert - Zeit für Randnotizen.


Außerdem freuen wir uns über das gerechte Ausscheiden der Italiener und dass die Schweiz weg ist, tut jetzt gar nicht mehr so weh.


Dass Italien nicht aufgestiegen ist, mag manche überraschen. Doch eigentlich sollte man davon keine Notiz nehmen dürfen, denn wenn es die sogenannte Kleinen nicht gibt, dann gibt es auch die „Großen“ nicht. Das ist nur fair und demokratisch, denn so wird jede Mannschaft nach der Leistung beurteilt, die sie bringt und je nachdem ist sie dann weiter - oder eben nicht.

Dass die Slowakei in ihrem letzten Gruppenspiel es fertig gebracht hat, die Italiener (bemerke: amtierender Weltmeister) aus dem Turnier zu schießen, spricht für sich selbst. Und obwohl man geneigt ist, große Namen in der KO-Phase zu bevorzugen, egal welche Leistung sie in der Vorrunde gebracht haben (Brasilien!), geht dieses Ausscheiden der Italiener in Ordnung. Unsere südlichen Nachbarn haben nämlich nur geschätzte zehn Minuten guten Fußball gezeigt. Und das waren die letzten zehn Minuten im letzten Spiel (Wille zur Macht, Wille zum Sieg etc.!). So viel Unwille, so viel Hochnäsigkeit in den vorangegangenen Matches, muss bestraft werden. Da hilft auch der große Name nichts. „Italien in der Vorrunde ausgeschieden“ bleibt also die erste Randnotiz dieser WM.

Auch in der Holland-Gruppe hat sich wenig Überraschendes zugetragen. Holland war vor dem letzten Spiel schon fix weiter und hat in der letzten Partie das gezeigt, was man vorher schon gesehen hat: souveränes, aber unaufregendes Spiel. Somit bleibt Holland weiterhin das große Fragezeichen. Viel hat man ihnen zugetraut, viel haben sie auch gezeigt, sind mit dem Punktemaximum aufgestiegen, aber der ganz große Wurf, das ganz große Aufspielen, ist ihnen noch nicht gelungen. Man hofft darauf, dass sie alles anders machen als 2008 (überragende Vorrunde und dann unspektakuläres Ausscheiden in der KO-Phase).

Japan hat sich hingegen gegen die Dänen wieder hervorragend verkauft. Da muss ich mich ein wenig selber rügen, weil ich sie als Unsympathen am liebsten ausscheiden hätte lassen. Doch gegen die doch-nicht-so-tollen Dänen haben die Japaner eine engagierte Leistung gezeigt, die teilweise sogar begeistert hat. Begeistert im wahrsten Sinne des Wortes, denn im japanischen Spiel war Geist zu erkennen - Spirit, wie die Amerikaner sagen würden, die Franzosen würden es Esprit nennen (aber wie die das nennen würden, interessiert ja keinen). Trotzdem war da Geist, Spirit und Esprit drin - ich denke die Wörter meinen jeweils ein bisschen was anderes. Das war gefälliger Fußball mit dem Willen zum Angriff und dem Spaß am Spiel; beides Ingredienzien, die so mancher „Großer“ bislang vermissen lässt. Deshalb steht Japan auch zu Recht im Achtelfinale.

Natürlich ging es im Spiel Portugal gegen Brasilien nur mehr um Prestige. Aber selbst das war winkender Lohn zu wenig um aus irgendeinem der beiden Teams etwas herauszuholen, was auch nur ansatzweise den Charakter eines „Spiels auf Sieg“ hatte. Uninspiriertes Geplätschere - zu Recht finden wir in dem Wort „uninspiriert“ wieder die Negation des Esprit, des Geistes. C. Ronaldo dumm wie immer, jeder einzelne Brasilianer eigentlich die schlechte Karikatur seiner selbst - wenn das so weiter geht, haben sich hier heute zwei fixe Nicht-Weltmeister ein Stelldichein gegeben. Was die Elfenbeinküste gegen Nordkorea geliefert hat, bekam man nicht zu sehen, ging es doch in beiden Partien nur mehr um die goldene Ananas.

In der Gruppe H allerdings, da ging es noch um was. Nämlich um die Frage, ob jetzt Disziplin (Schweiz), Klasse (Spanien) oder Offensivgeist (Chile) den Aufstieg schafft. Durchgesetzt haben sich Klasse und Offensivgeist. Und das völlig zu Recht. Denn die Schweiz hat im letzten Spiel gegen Honduras enttäuscht. Daran sieht man wieder, dass es stimmt, wenn man sagt, dass Mannschaften wie die Schweiz nur so gut sind, wie es von einem scheinbar Größeren zugelassen wird. Demgemäß hat Spanien im ersten Spiel gegen die Schweiz verloren; und nicht Schweiz gegen Spanien gewonnen. Denn wenn man die große Chance nicht ergreift und gegen Honduras nicht trifft, dann kann einem keiner mehr helfen - bei aller Sympathie. Wir dürfen aber froh sein, dass die beiden Mannschaften weitergekommen sind, die uns sicher noch viel Freude bereiten werden. Das europameisterliche Spanien (toll, dass Iniesta wieder gespielt hat!) und das brandgefährliche und offensivbegeisterte Chile. Letzteres Team hat heute bewiesen, dass man Defensive kann, aber halt nicht so gut wie Offensive. Das wäre die alte Brasilien-Taktik: vorne mehr reinmachen als man hinten bekommt. Ob da ein Tor pro Spiel reicht? Den Beweis bleibt uns Chile vorerst noch schuldig.


Randnotiz Nummer zwei: Chile muss mehr Tore schießen!

Randnotiz Nummer drei: Ghana muss Tore aus dem Spiel erzielen.

Randnotiz Nummer vier: C. Ronaldo muss nicht immer so präpotent Freistöße inszenieren.

Randnotiz Nummer fünf: Brasilien kann so nicht Weltmeister werden.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Hollywood und Wimbledon

Vielleicht sind die gleichzeitig ausgetragenen letzten Gruppenspiele besser als die K.O.-Phase.

Vielleicht hat die aber einfach schon angefangen und wir haben es gar nicht bemerkt.


Was war das gestern für eine Dramatik am Nachmittag! England bringt seine bisher überzeugendste Leistung und gewinnt endlich gegen die bis dato Gruppenersten, Slowenien. Da es beim Parallelspiel zwischen USA und Algerien Ewigkeiten 0:0 steht (wieder wurde ein Tor der Amerikaner ungerechtfertigterweise aberkannt), sieht es so aus, als würden die Slowenen zusammen mit den Engländern ins Achtelfinale aufsteigen. kopfschüttelnd sitzt der USA-Fan da und fühlt sich ungerecht behandelt. Freilich, gegen Algerien muss man gewinnen und das am besten 2:0, die Mannschaft ist eh selber schuld. Aber andererseits wäre man nicht in dieser Lage, hätte der Schiedsrichter im letzten Spiel das dritte Tor gegeben. Oder hätte der Schiedsrichter das erste Tor im aktuellen Spiel gegeben. Hätte, hätte, es hilft alles nix. Auch, wenn es ungerecht zugeht, es ändert ja nichts am Ergebnis. Und auf einmal sieht man jubelnde Männer in weißen Trikots, die nicht die Slowenen sind. Zuerst kennt man sich nicht aus, weiß nicht, was da genau passiert, wer jetzt gegen wen ein Tor geschossen hat. Die Engländer könnens nicht sein, denn die waren gestern seit langem wieder mal rot. Dann sieht man im Hintergrund grüne Männlein herumstapfen, auf einmal einen glatzköpfigen Coach, einen Donovan mit Geheimratsecken, der sich freut und kapiert, dass es sich da grad um die USA handelt, die ein Tor geschossen haben. Last Minute relief! Ein richtiges "Hollywood-Drama mit Happy End" (Andi H.), denn die Amerikaner beenden die Gruppenphase als Tabellenerster vor England. Und Slowenien ist draußen, was bitter ist. Aber irgendwie ist man natürlich auch froh, weil man die nicht wirklich im Achtelfinale haben wollte. Die hätten dann am Ende gegen Ghana gespielt und dann steht entweder Ghana oder Slowenien im Viertelfinale, was schon ein bisschen zu viel des zu-den-Kleinen-halten gewesen wäre. Und mit England als Gruppenzweiten können wir sehr zufrieden sein, denn die spielen jetzt gegen: Deutschland.

"Ghana ist nicht Österreich", sagte Jogi Löw anscheinend vor dem Spiel. Da hat er Recht, der Jogi. Heißt aber wieder mal nix anderes, als dass man Ghana halt nicht unterschätze dürfe etc. Aber richtig, sie sind nicht Österreich. Und Ghana ist auch nicht England, lieber Jogi!

Jedenfalls haben sich die Deutschen - diesmal mit Boateng (damit man dem Halbbruder auf der anderen Seite zeigen kann "Schau, so einen haben wir auch!") statt Badstuber - ordentlich durchgesetzt. Aber Ghana ist nicht Österreich, und deshalb kamen die auch zu ein paar Chancen und sorgten dafür, dass das doch eine recht ansehnliche Partie geworden ist. Was aber bei den anderen beiden Gruppenkollegen passierte, war auch durchaus interessant. Da verhalf nämlich Australien Ghana zum zweiten Platz, indem sie den Serben mal eben 2 Tore schossen. Und da ging auf einmal die Rechnerei wieder los: "Wenn die jetzt noch zwei Tore schießen, oder Deutschland noch ein Tor schießt und die auch noch mindestens eins, haben sie das gleiche Torverhältnis wie Ghana bei gleichen Punkten, würden aber, weil sie mehr erzielte Tore haben, auf Platz zwei kommen" usf. Bevor man sich aber derartige Konstellationen fertiggeträumt hat, schossen die Serben auch schon wieder das 1:2 - Kurze Enttäuschung. Dann aber: "Ja wart einmal, wenn die Serben jetzt noch ein Tor schießen, dann steigen die ja auch auf und zwar vor Ghana, wieder wegen der Tore", und auf einmal wollte man wieder ein serbisches Tor sehen. Also manche wollten das - ich nicht. Erstens, weil es gut und richtig ist, dass doch noch eine afrikanische Mannschaft im Achtelfinale steht, zweitens, weil ich sehen will, ob Ghana nun ein Tor aus dem Spiel erzielen kann oder nicht und drittens, das muss man halt auch in aller Deutlichkeit sagen: weil mir die Serben unsympathisch sind. Und weil mir die Serben unsympathisch sind, die Australier aber sympathisch, war das ganz große Klasse, dass letztere das gestrige Spiel gewonnen haben, damit Ghana zum Aufstieg verhalfen und sich anständig von der WM verabschiedeten. See you in four years, Socceroos!

Es geht hier um Dramatik und es geht um Sympathie. Freilich wär das auch noch was gewesen, wenn Serbien einen 0:2 Rückstand aufgeholt und damit den Aufstieg geschafft hätte. Von der Dramatik her toll. Aber die Sympathie stand in diesem Fall dagegen. Deswegen hat einem gestern nichts Besseres passieren können, als USA-Fan zu sein. Denn da wars arschknapp und trotzdem kann man nicht sagen, die USA hätten sich ins Achtelfinale gemogelt. Die wären ja beinahe von unfähigen Schiedsrichtern aus dem Turnier gepfiffen worden - und dann haben sie es doch noch geschafft. Mit dem sogenannten American Spirit, dieser Mischung aus Never-give-up und In-God-and-our-Nation-we-trust mit ein bisschen Yes-we-can und Bill Clinton im Publikum - da geht das dann schon. Und wenn die es ins Halbfinale schaffen, dann wird das auch verfilmt. Leider.

Aber eines ist jetzt schon interessant. Wir haben einen Halbfinalisten, der entweder aus Uruguay, den USA, aus Südkorea oder Ghana kommt. Wer hätte darauf im Vorfeld gewettet? Momentaner Favorit aus den vieren ist sicherlich Uruguay. Aber wir haben gesehen, dass den Amis was zuzutrauen ist. Und Südkorea wäre ein klassischer Stolperstein, die man aber bei Gott nicht im Semifinale sehen will. Ghana? Wie gesagt, die müssen erstmal ein Tor aus dem Spiel heraus schießen. Für die USA gilt: ein Tor schießen und Elfmeter verhindern. Sonst wird's knapp.

England gegen Deutschland ist natürlich ein Kracher. Zwar konnte sich England steigern, mit Deutschland steht aber die kompaktere Mannschaft am Feld. Özil hat gestern wieder so gespielt, dass ich ihm fast den Lionel wieder vorne dranhängen würde - hätte er kein Tor geschossen und damit den Vergleich zwischen ihm und Messi unmöglich gemacht. Aber Messi (und vielleicht auch Wayne Rooney) werden in der KO-Phase anfangen zu treffen. Rooney müsste sich beeilen, denn ein Tor gegen Deutschland wär schon recht wichtig. Und der Polanski wird auch wieder treffen - wenn's niemand erwartet und es am wichtigsten ist, dann trifft der. Und dann, später im Turnier, oder sogar schon im Spiel gegen England, verschießt er wieder einen Elfer (weil er jetzt nämlich einen Elfmeter-Komplex hat, jaja, so schnell geht das) und darf wieder der Prügelprinz-Poldi sein und auf der Titelseite der Bildzeitung weinen. Oder die Engländer scheiden gegen Deutschland im Elferschießen aus - was ja eh der erwartete Turnierverlauf wäre. Oder Henry James, der älteste Torhüter der Welt, wird zum großen Helden. Na gut, zu spinnen muss man nicht gleich anfangen...


Spieler des Tages: Landon Donovan again, der Held von Pretoria, der den American Dream am Leben hielt und die Soccer-Story weitergehen lässt. Der uns gezeigt hat, dass er - und als Captain somit auch stellvertretend für sein Team - sich nicht unterkriegen lässt und den Ungerechtigkeiten zum Trotz bei diesem Turnier noch einiges erreichen will.



Ein Wort zu Wimbledon:


Bei allem Trara rund um die WM sollte man nicht vergessen, dass in London gerade das wichtigste Tennisturnier der Welt stattfindet. Dort haben vor zwei Tagen zwei Herren, einer aus den USA und einer aus Frankreich, ein Match begonnen, das bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fertig gespielt wurde. Die Partie zwischen John Isner und Nicolas Mahut (der bis jetzt wohl noch kaum jemandem ein Begriff war) steht 59:59 im fünften Satz und dauert nun schon über 10 Stunden. Gestern wurde bei genau diesem Stand abgebrochen und heute geht's weiter beim längsten Tennismatch aller Zeiten. Von der körperlichen und psychischen Leistung, die bei so einem Match den Kontrahenten abverlangt wird, kann man sich eigentlich keine Vorstellung machen. Es gab zwar schon Match- und Breakbälle, aber im großen und ganzen ist es so, dass im fünften Satz jeder sein Aufschlagspiel relativ gefahrlos durchgebracht hat. 118 Games allein im fünften Satz. Das ist ermüdend. Und die beiden machen weiter und schlagen sich die Asse um die Ohren (Isner steht bei 98, Mahut bei 94).

Wie spielt man da weiter? So ein Match will man einfach nicht verlieren, auch wenn man der Platz in den Geschichtsbüchern schon reserviert ist. Dass es so etwas nie mehr geben werde (John Isner) und man Teil davon war, ist nachher ein schwacher Trost. Gratulation aber an den Herrn Mahut, der steht nämlich auf Platz 148 der ATP-Liste, Isner auf Platz 19. Die Superlative überschlagen sich natürlich angesichts eines solchen Spiels: Da ist von "unthinkable Records" die Rede, von einem "Battle of epic proportions" etc. Es ist wirklich unglaublich, ja eigentlich unwirklich.

Der größte Tennisspieler aller Zeiten meint dazu: "I have almost no words anymore watching this. It's beyond anything I've ever seen and could imagine. I don't know how their bodies must feel the next day, the next week, the next month. This is incredible tennis," ... "For them to serve the aces they served and stay there mentally is a heroic effort. As we know, we have no draws in tennis, so there will be a loser. But I guess in this match, both will be winners because this is just absolutely amazing."

Mittwoch, 23. Juni 2010

Bald haben wir es überstanden

Heute geht‘s für England, die USA, Deutschland und Serbien um den Einzug in die KO-Phase. Ghana will aber auch!


Die Endspiele der Gruppenphase sind im Gange und bald haben wir die lästigen Rechnereien wie auch das langweilige Ballgeschiebe hinter uns. Es geht in die heiße Phase und das heißt für die Teams die Spirenzien abstellen, die Beleidigungen vergessen und die Revolten über Bord werfen. Konzentration und Wille sind jetzt gefragt. Ab jetzt hat man es selbst in der Hand - und Dummheiten werden gleich bestraft.

Argentiniens Teamguru Diego Maradona wurde im Vorfeld des letzten Gruppenspiels gegen Nigeria gefragt, ob er Lionel Messi schonen würde, da am Aufstieg ja kein Zweifel mehr bestehe. Diego Maradona drauf: "Er ist der beste Spieler der Welt, es wäre eine Sünde, ihn den Menschen vorzuenthalten." Das ist Diego Maradona! Das ist Argentinien. Das ist das Wirkungsvolle im Gewand des Schönen. Dass Messi für das Spiel der Argentinier von zentraler Bedeutung ist, weiß Maradona ja. Aber er sagt es nicht. Er sagt, er möchte dass alle Menschen Messi spielen sehen. Ein anderer hätte vielleicht gesagt: "Nein, Messi ist für unsere Spielanlage wichtig. Wir wollen nicht auf ihn verzichten, er ist der Motor in unserem Angriffsspiel." Oder so ähnlich. Da geht's dann nur um die Mannschaft selbst (wir, wir, wir). Maradona aber sagt das nicht nur anders, ich glaube, er denkt es auch anders. Vielleicht mag es sein, dass ihm Taktik nicht ganz so egal ist, wie man gemeinhin glaubt. Wieviel des argentinischen Taktikkonzepts tatsächlich auf Maradonas Kappe geht, weiß man eben nicht. Aber wieviel es auch sein mag, eines scheint mir sicher: Maradona glaubt genau das, was er gesagt hat. Er glaubt an die Genialität und die Schönheit von Messis Spiel und er glaubt, dass man Messi spielen lassen muss, damit ihn die ganze Welt sehen kann. Das ist fantastisch, das ist ganz wunderbar; der Satz wie auch die Einstellung und die Idee dahinter. Gott gab uns Maradona, Maradona gibt uns Messi.

Und den gab er uns auch – plus eine Restmannschaft (B-Elf gibt’s ja bei den ganz guten nicht), die, so wirkte es zumindest, nicht wirklich auf einander eingespielt war. Trotzdem war Messi wieder der stärkste Mann und spielte Chancen heraus, die irgendwann auch zu Toren führen mussten. Selber blieb ihm aber schon wieder der erste WM-Treffer versagt – es ist wie verhext. Die Griechen taten ihr übriges zum Spiel. Otto Rehagels Team musste gewinnen, um noch aufsteigen zu können. Deshalb liefen die Gammelgriechen mit einem flotten 6-3-1 auf. Entsprechend wenig Offensivaktionen bekam man von denen dann auch zu sehen. Wenn man selbst in Ballbesitz nicht bereit ist, eine Fünferkette aufzulösen, dann kann einem auch keiner mehr helfen. Rehagel meinte nach dem Spiel, er hätte seiner Mannschaft gesagt, dass da nach vorne mehr kommen muss. Ich glaube, da hat er gelogen. Wenn er das seiner Mannschaft gesagt hätte, und die dann trotzdem so spielen, dann sind sie nicht ganz richtig im Kopf. Lieber glaube ich, dass Rehagel uns am Schmäh gehalten hat.

Auch Nigeria hat uns ein bissl am Schmäh gehalten. Mit denen ist gestern auch die vorletzte afrikanische Mannschaft endgültig ausgeschieden. Das war alles in allem einfach zu fahrlässig. Den Südkoreanern Tore schenken und dann selbst nach der Reihe 100-prozentige Chancen verhauen, das geht einfach nicht. Aber gut ist, dass so auch der Zuseher sieht, dass das nicht achtelfinalwürdig ist und deshalb die Mannschaft zu Recht ausscheidet. Südkorea wird es dann im Achtelfinale eh gegen Uruguay fressen - Case closed.

Frankreich hat, wie erwartet, alles runtergeleert, was es zum runterleeren gab. Der Domenech-Dodel war naturgemäß beleidigt, hat alle Krawallmacher auf der Bank sitzen lassen und jetzt sind sie zu Recht ausgeschieden. Wir freuen uns, dass dieses in allen Belangen unsagbar furchtbare Team weg ist und dass der Gastgeber noch einen Ehrensieg einfahren konnte.

Was war noch? Ahja, Mexiko: Sehr solide, leider wird gegen Argentinien wahrscheinlich Schluss sein. Eigentlich schade, aber wer weiß, was uns da noch erwartet!

England versucht, das Schlimmste abzuwenden und es nicht Frankreich gleich zu tun. John Terry hat sich für seine kritischen Äußerungen entschuldigt und damit scheint die „Revolte“ erledigt zu sein. Vielleicht will man im letzten Spiel gegen Slowenien doch noch ein bisschen Fußball spielen. Heute haben es in der Gruppe zwei die nominellen Favoriten in der Hand. Siege müssen für England und die USA her, dann ist man weiter. Um Platz zwei sich zu streiten, sollte eigentlich beiden zu blöd sein. Also bitte Eier zeigen und der Favoritenrolle gerecht werden!

In der Gruppe D will Deutschland wieder vorzeitig Weltmeister werden und Ghana sich als einzige afrikanische Mannschaft fürs Achtelfinale qualifizieren. Vielleicht gelingt Asamoah Gyan wieder ein tolles Elfmetertor? Aber Achtung, auch die Serben möchten noch aufsteigen und genau wie die Deutschen, wäre hierfür ein Sieg das beste. Australien bleibt sympathisch und wir möchten sie auch beim nächsten Mal wieder dabei haben. Vielleicht aber werden gerade die Aussies für die Serben heute zum Spielverderber?


Spieler des Tages: Yakubu Aiyegbeni. Er vergab zwei Chancen für Nigeria kläglichst, traf das leere Tor aus zwei Metern Entfernung nicht, was ihm bis jetzt bei dieser WM in dieser Form noch keiner nachgemacht hat. Dann aber verwandelte er einen Elfmeter zum Ausgleich - und das ziemlich gut und kaltschnäuzig. Irgendwie stellvertretend für die Mannschaft. Das ist eine Ehren-Nominierung zum Spieler des Tages. Ich sag zum Abschied leise Servus zu Nigeria.

Dienstag, 22. Juni 2010

Das Element Spannung

Iker Casillas bekam heute nichts zu halten. Seine Freundin hält wenigstens das Mikrophon in der Hand und die spanischen Fernsehzuseher in hechelndem Atem.


Außerdem gab‘s noch Fußball: genialen und vermeintlich genialen. Und wir begrüßen Spanien und Portugal bei der WM-Endrunde!


CHI-SUI 1:0 (und ein bisschen CIV-BRA 1:3)


Offensivbollwerk: Klingt wie ein Oxymoron, ist aber keines, wenn man sich das Spiel der Chilenen heute angesehen hat. Da werden sämtliche Kriegsmetaphern aktiviert: Belagerung des Schweizer Strafraums, Flankenbombardement, Beschuss des Tors... nur „Blitzkrieg“ hat keiner gesagt. Erstens, weil das Spiel 90 Minuten (meist länger) dauert. Zweitens, weil das ganze Holterdipolter nix nützt, wenn man am Ende wieder nur ein Tor macht. Trotzdem, die Chilenen zeigen den offensiven "Willen zur Macht". Man merkt, die Spieler WOLLEN laufen, WOLLEN angreifen, sich bewegen, Räume schaffen etc. Das wollten die Brasilianer gestern zum Beispiel überhaupt nicht. Übrigens: Eine Laufleistung wie sie z.B. Sanchez gezeigt hat ist keine Frage der Fitness, sondern der Motivation!

Gratulation aber auch an die Schweizer, die nach dem Ausschluss Behramis (zweifelhafte rote Karte, vor allem angesichts vieler anderer Entscheidungen in der Partie) einen neuen Rekord aufgestellt haben. 558 Minuten ohne WM-Gegentor. Damit haben sie sogar die Italiener, die bekanntermaßen beim Mauern im Fußball fleißiger sind als beim Mauern ihrer Häuser, in den Schatten gestellt. Bis zum Gegentor hat das wirklich nach Unverwundbarkeit ausgesehen. Aber der Wille zur Macht war stärker und nun haben sie doch verloren, die Schweizer.

Der Schiedsrichter? Ein armer Tor, ohne Autorität, ohne klare Linie. Ein bisschen so wie der gestern bei BRA gg. CIV, ein Spiel, über das ich eigentlich gar nicht wirklich schreiben will. Aber diese bezeichnende Szene zwischen dem Schiedsrichter und Luis Fabiano nach seinem Doppelhandspieltor hat sich schon einen Kommentar verdient. Hat der Schiedsrichter Luis Fabiano etwa gefragt "Du, beim Tor hast du dir den Ball aber schon mit der Hand gestoppt, gell?" Luis Fabiano: "Ich? Naaa! Das war mit der Brust!" Der Schiedsrichter schmunzelt und deutet mit ironischer Miene auf seine Brust: "Brust, gell? Jaja, mit der Brust hast du den gestoppt!" (Augengezwinkere). Ja sag einmal! Entweder der sieht das, dann ist das zu pfeifen. Oder er sieht es nicht, dann gibt's nix zum ironisch kommentieren. Komische Leut, diese Schiris.

Ahja, und dann noch zum Kaká, der gestern schon wieder so gespielt hat wie er heißt. Nicht einmal Schatten seiner selbst, denn gestern warf er nur einen ganz kleinen. Das Dumme daran ist: Dennoch hat er zwei Tore vorbereitet. Den ersten Pass aber als "genial" zu bezeichnen, geht mir persönlich zu weit. Da war nur eine Lücke (zugegeben war‘s eine kleine), durch die er den Ball sinnvollerweise spielen hätte können. Das ist ihm auch gelungen. Dazu aber braucht es kein Genie. Er hat weder eine besondere Lücke gesehen (es war ja die einzige, die da war), noch war der Ball besonders lang (er rollte vielleicht 5 Meter). Und dafür, dass er einen Ball fünf Meter in eine Richtung schupfen kann, wird er gut bezahlt. Zudem hat er noch Glück gehabt, dass er bei dieser Aktion überhaupt den Ball unter Kontrolle bekommen hat. Wo das jetzt "genial" war, weiß ich nicht. Ich will ja Kakás Leistung nicht schmälern - sie war eh schon schmal genug - aber nicht jede Aktion eines (in diesem Falle ehemaligen) Genies ist auch eine Genietat. Goethe hat schließlich auch keine besonders genialen Einkaufslisten geschrieben, nur weil er genialer Dichter war. (Das ist jetzt mal eine Vermutung. Goethe hat wahrscheinlich überhaupt nie eine Einkaufsliste geschrieben und wenn, dann ist wahrscheinlich keine davon erhalten. Aber darauf, dass der Vergleich stimmt, besteh ich!)


POR - PRK 7:0


Da gibt's eigentlich nicht viel zu sagen. Portugal ist da, Portugal ist bereit, ins Achtelfinale aufzusteigen und sie haben endlich Tore geschossen. Sogar C. Ronaldo hat getroffen. Was das beim Team auslöst, ist eine andere Frage - für andere Gegner.


SPA - HON 2:0


Auch hier ist jemand endlich im Turnier angekommen. Zwar sind die Spanier durch den nicht ganz in Form agierenden Torres offensiv geschwächt, das hat aber heute David Villa wett gemacht, der, das wird noch abzuwarten sein, aber vielleicht im nächsten Spiel schon wieder fehlt. Und das kann gegen Chile unter Umständen zum Problem werden. Diese Gruppe H ist eigentlich eine ganz hervorragende Gruppe mit einem heißen Favoriten, der aber auch erst noch seine Rolle bestätigen muss, einer aufregend spielenden aber bisher ergebnismäßig noch nicht wirklich überzeugenden Wadlbeißermannschaft, einem alpintauglichen Massiv, von dem sich unsereins noch so einiges abschauen kann und einem Underdog, der sympathisch aber schön unauffällig agiert.

Die Spanier haben heute überzeugt. Aber man hat auch gesehen, dass Iniesta abgeht, dass Navas nicht alles gelingt und über Torres und Villa hab ich schon alles gesagt. Die Verteidigung aber steht und ist für Spanien ein verlässlicher Rückhalt. Pique hat zwar in den letzten beiden Partien schon gefühlte 2 Liter Blut verloren, aber dafür wird sein Auftreten immer imposanter: das Gesicht von Pflastern bedeckt, keinen Zweikampf scheuend, ist der baumlange Verteidiger auch für Offensivaktionen brauchbar.

Am liebsten hätte man in dieser Gruppe Spanien, die Schweiz und Chile weiter. Aber eine dieser Sachen mit der Vorrunde ist eben auch, dass am Ende zwei nach Hause fahren müssen, und letztlich ist es auch dieser Umstand, der das Element Spannung bringt. Und Spannung wollten wir ja auch. Tut halt manchmal weh... wie beim Strom. Großes Finale also zwischen Spanien und Chile. Frage: Kann Chile auch Defensive?


Spieler des Tages:

Ist Georgie Welcome (HON). Hatte vielleicht nur eine einzige Aktion, aber heute wird er Spieler des Tages nur des Namens wegen. Man stelle sich vor, ein spanischer Spieler verwendet das getauschte Trikot als Fußmatte - Pfui, Kolonialismus!





Kurz notiert:


Der ORF hat einen Vuvuzela-Filter. Das wurde gestern beim switchen zwischen ORF und ARD bemerkt. Großartig! Hurra! Mahlzeit, Mahlzeit, Chef-Menü!

Manfred Zsak verweigert sich wieder. David Villa wird seiner Aussprache nach zu einem Gebäude. Dafür heute kein latenter Rassismus: wahrscheinlich haben heute zu wenige Afrikaner gespielt.

Frankreich sucht den Maulwurf! Nein, das ist kein Titel einer französischen Gärtner-Castingshow. Es gibt einen Verräter im Team! Ist das nicht spannend? Wer wird es sein? Rein optisch tippe ich auf Raymond Domenech. Es soll aber einer von den Spielern sein. Also wird es auch für Frankreich nochmal spannend. Übrigens: Wenn Südafrika gegen Frankreich gewinnen sollte, wäre das für alle Beteiligten das Beste!

Montag, 21. Juni 2010

Macht und Erfolg

Krisenstimmung bei den Kolonialmächten und warum die Favoriten mehr Eier haben müssen.


Abseits des grünen Rasens passiert bei dieser WM auch so einiges. Frankreich zum Beispiel. Frankreich passiert auf dem Feld nämlich wenig (Gutes) - 0 Tore, 1 Punkt. Und das hat damit zu tun, was ihnen abseits des Feldes passiert. Da gibt‘s wüste Beschimpfungen des Enfant terrible Nikolas Anelka gegen den dummen Domenech. Viele sagen, das ist das beste, was Anelka bei dieser WM bis jetzt geleistet hat. Das spricht natürlich auch nicht gerade für ihn. Dann boykottiert das ganze Team das Training, weil der Französische Fußballverband Anelka heimgeschickt hat, Evra streitet sich mit dem Fitnesstrainer, der Manager tritt zurück etc. Interessiert uns aber eigentlich auch gar nicht, das Ganze, weil eine Neustrukturierung dieser Mannschaft auch ohne Eklat notwendig gewesen wäre. Jetzt wissen es also alle.

Auch bei den Engländern kocht und brodelt es. Nach der katastrophalen Vorstellung im letzten Spiel, wird Teamchef Capello aller Voraussicht nach abgesetzt. John Terry, Abwehrchef und Ex-Kapitän, zettelt eine Revolte gegen den amtierenden Kapitän Gerrard an. Da machen aber die anderen nicht so recht mit, Lampard distanziert sich von Terrys Vorgehen etc. Ein bisschen interessant, das Ganze, aber nicht wirklich. Das lenkt weder von den schlechten Leistungen am Feld ab, noch scheint es, als wäre es das probate Mittel, um am Teamgefüge und also am Misserfolg irgendwas zu ändern.

Die WM in Afrika bringt die ehemaligen Kolonialmächte dazu, sich selbst zu zerstören. Das ist ironisch. Die WM zeigt aber auch, wie sehr, bei allem Augenmerk, das auf den von mir so genannten "Helden" liegt, der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft über Erfolg oder Misserfolg bestimmt. Und es zeigt, wie wichtig nicht nur die taktischen Aufgaben sind, die ein Trainer zu erfüllen hat, sondern eben auch die Beziehung zwischen Trainer und Mannschaft, das Vertrauen, die nötige Autorität und psychologische Cleverness, die der Mann auf der Bank mitzubringen hat. Nach Kamerun versucht nun auch England, sich selbst aufzustellen (zumindest John Terry versucht das, indem er ein 4-5-1 mit Solospitze Rooney propagiert und Cole für die Startelf fordert). Auch die Elfenbeinküste wurde gestern weniger von Sven Göran Eriksson als von Didier Drogba aufgestellt. Das ist eigentlich überflüssig; was man daran sah, dass die ersten 60 Minuten des ersten Spiels den besseren Ivorer-Fußball boten als die gesamte Partie gestern gegen Brasilien.

Im Englischen gibt es die Wendung "to know one's part", im Deutschen etwa "seine Rolle kennen". Im Englischen kommt aber der Charakter der Teil-Ganzes-Beziehung noch deutlicher heraus. In einer Mannschaft hat jeder seine Aufgabe, das fängt beim Trainer an und endet bei den Masseuren. Natürlich entsteht innerhalb eines Teams immer auch ein gewisses Machtgefüge. Auch dieses Wort (Gefüge nämlich) verrät, dass man sich darin zu fügen hat und sich am besten auf seine persönlichen Aufgaben konzentriert. Wer aneckt, umrührt oder nicht bereit ist, seine Rolle im geforderten Maß auszufüllen hat keinen Platz im Team - ganz gleich, welche fußballerischen Fähigkeiten derjenige haben mag. Das ist eine Entscheidung, die der Trainer zu treffen hat und es ist auch der Grund, warum man gewisse Spieler bei dieser WM nicht zu sehen bekommt (Ronaldinho etwa). Blöd ist, wenn der Trainer seine Aufgaben nicht erfüllt oder nicht kennt. Dann muss der Verband handeln. Tut er das nicht, kommt es unter Umständen zu einer gefährlichen Kettenreaktion (s. Frankreich). Insofern muss ein Team auch stark genug sein, Schläge von außen (Fans, Medien) auszuhalten - und zwar als Gemeinschaft. Ein solches Team geht auch besser mit Misserfolgen um (Spanien, hoffe ich).

Noch ein Wort zu den übermannschaftlichen Machtverhältnissen, etwa denen innerhalb der Gruppen. Wir haben deutlich gesehen, dass vermeintlich schwächere Mannschaften selbst großen Favoriten ernsthaften Schaden zufügen können, ihnen aber zumindest das Leben schwer machen und sie in Bedrängnis bringen können. Das passiert teilweise durch cleveres Taktieren der "Kleinen", teilweise durch Leistungsunwillen der "Großen". Dann wird immer wieder gesagt "Jeder, der sich für eine WM-Endrunde qualifiziert hat, hat sich zurecht qualifiziert". Soll heißen: Auch schwache Gegner darf man nicht unterschätzen: was richtig ist - hat man ja gesehen. Nur: Wenn man die bessere Mannschaft ist, muss man auch wie die bessere Mannschaft spielen. Das sah man bisher selten, nämlich nur von Argentinien, von Deutschland im ersten Spiel gegen Australien und heute von Portugal gegen Nordkorea. Da hilft alles nichts, der Favorit kann nicht die Favoritenrolle ablegen und sich darauf hinausreden, dass die Außenseiter so destruktiven (lies: taktisch dem Spiel des Favoriten perfekt angepassten) Fußball spielen.

Das Spiel des Favoriten hat selbstbewusst zu sein. Dazu gehört erstmal das Annehmen der Favoritenrolle. Dann gehört das, was man kann, konsequent und mit Eiern in der Hose umgesetzt. Wenn ein Team nicht bereit ist, 90 Minuten lang konzentriert den Fußball zu spielen, den es am besten spielt, dann gehört es nicht in eine WM-Endrunde. Hier spreche ich von Italien und England (von Frankreich sowieso), aber auch von Brasilien, das sich gestern gegen die Elfenbeinküste (zumindest in Hälfte 1) den entsetzlichsten Fußball geleistet hat, den ich bisher gesehen habe (gemessen an der Qualität der Mannschaft; und England im Spiel gegen Algerien selbstverständlich ausgenommen). Das lief Gott sei Dank in Hälfte zwei besser und wurde auch belohnt. Den Gegner zu unterschätzen und ein hochnäsiges Spiel aufzuziehen, das traut sich nach dem ersten Durchgang eh keine Mannschaft mehr. Und das ist auch richtig, denn die "Kleinen" gibt es nicht. Es gibt Mannschaften, die nicht über die nötige spielerische Klasse verfügen, um Weltmeister werden zu können, ja. Aber genau diese Mannschaften sind es, die allemal dafür sorgen können, dass einer der sogenannten Favoriten nicht das Achtelfinale erreicht. Die "Großen" täten gut daran, den Mittelweg zwischen Arroganz und übertriebener Vorsicht zu finden. So wie das heute Portugal in der zweiten Hälfte gemacht hat. Vielleicht haben das Match ein paar Kollegen aus Brasilien, Holland (ja, ich weiß, dass ich ausgerechnet von den ersten beiden Mannschaften, die sich fürs Achtelfinale qualifiziert haben, spreche) oder Spanien gesehen und hatten ein Aha-Erlebnis.

Ich bin froh, wenn diese Vorrunde vorbei ist. Schon im Vorfeld habe ich sie ja als Vorgeplänkel für die Viertel- und Semifinalspiele gesehen. Sie dient als Sieb, weil die Qualifikation noch nicht Sieb genug ist und sie dient dazu, vermeintliche Erkenntnisse über Teams zu erlangen, die sich dann in der KO-Phase ohnehin als wertlos herausstellen. Aber sie ist eine Bühne für Sensationen, Enttäuschungen und Überraschungen - also doch wieder ihr Geld wert.

Nächste Woche geht's für das eine oder andere Team bereits um Sein oder Nichtsein. Und dann werden "Große" wie zum Beispiel Deutschland endlich gezwungen, Fußball mit Eiern zu spielen und das zu zeigen, was man eigentlich schon von Anfang an von ihnen erwartet hat. Das doofe Hurra-Geschrei der Deutschen nach dem ersten Match wurde angenehm erstickt, man ist eben doch noch nicht im Finale. Auch die Portugiesen brauchen sich jetzt noch nicht im Halbfinale wähnen - immerhin war das heute Nordkorea und nicht Brasilien. Hier sah man: wie schwach oder stark solche Mannschaften wie Nordkorea im Spiel gegen einen Favoriten sind, bestimmt ausschließlich die Mannschaft, die gegen sie antritt - der Favorit also.

Samstag, 19. Juni 2010

Holprige Holländer, arme Australier, kämpfende Kameruner

Da fiel dem Eto‘o heute erst ein Stein vom Herzen, doch die Niederlage wiegt schwer: Kamerun ist draußen!


Holland ziert sich noch, Australien gibt sich immer noch sympathisch aber glücklos und Manfred Zsak macht uns Sorgen.


NED - JPN 1:0


Das war schon wieder sehr glanzlos, was Holland da heute nachmittag bot. In der ersten Hälfte waren die Japaner den Dänen vom letzten Spiel sehr ähnlich. Das war zäh wie roher Fisch und die Holländer bemühten sich so halb, den Fisch weich zu klopfen. Eine Situation, wie wir sie schon so oft gesehen haben bei dieser WM: Favorit mit planmäßigem Glanzfußball gegen Underdog im überstrengem Taktikkorsett. Da heißt es eigentlich immer nur, so lange Druck machen, bis irgendwas Zufälliges passiert, jemand einen Fehler macht. Gegentor darf man natürlich keines bekommen, deswegen gibt‘s auch keine totale Offensive mit allen Mitteln.

Während der ersten Halbzeit habe ich mir gedacht, es müsste im Fußball so ein Spielverhalten doch irgendwie bestrafbar sein. Etwa so: keinen Punkt für niemanden, falls das Spiel 0:0 ausgeht. Erst ab 1:1 bekommt jede Mannschaft einen Punkt. Würde das was ändern? Ich weiß es nicht. Im Tennis gibt‘s den Ausdruck „erratic play“. Da kann ein Spieler eine Geldstrafe bekommen, wenn sein Spiel allzu destruktiv angelegt ist. Das kommt natürlich höchst selten vor, weil die Spieler ohnehin gezwungen sind zu variieren und zu riskieren, weil sie sonst eben verlieren. Wegen Unattraktivität bestraft werden, klingt zwar irgendwie ein wenig absurd, aber solche Sachen kommen einem in den Sinn angesichts solcher Spiele.

Der große Ivica Osim meinte, es fehle hier häufig die Spontaneität und am Mut zum Risiko. Ja, das ist sicherlich richtig. Andererseits kann man ja schwächeren Mannschaften keinen Vorwurf machen, wenn sie gegen scheinbar übermächtige Gegner wenig riskieren. Es geht da um Spielphilosophien und da sind die Trainer gefragt. Wieviele verschiedene Philosophien hat man bei dieser WM bis jetzt gesehen? Ich schätze, ohne das jetzt genau analysieren zu wollen, dass es nur etwa 3-4 verschiedene waren (eine fünfte hat uns heute noch Kamerun gezeigt). Eine davon hat Chile ganz allein verfolgt. Noch was von Osim: Er bemerkt ganz richtig, dass viele Mannschaften nach einem Match stolz verkünden, sie wären gut gestanden. Fußball sei aber, so Osim, im Grunde Laufen und nicht Stehen. Das wiederum gilt jetzt sowohl für die defensiv ausgerichteten Mannschaften, die meist im offensiven Spielaufbau wenig bis gar keine Ideen haben. Es gilt aber auch für Mannschaften wie Spanien oder Holland, die bis jetzt großteils nur stehend kombinieren.

Zwischen erstem Tor und 72. Minute schien Holland eingeschlafen zu sein. Dann kam der großartige Elia für van der Vaart, Affelay für Sneijder und später Huntelaar für van Persie. Leider viel zu spät schien Holland wieder was bewegen zu können - allerdings in einer Phase des Spiels, in der ihre Hauptsorge der Verhinderung eines Gegentreffers galt. Dirk Kuyt war heute gar nicht da (wie Rooney gestern). Auch van Persie ödet mich schon ein bisschen an. Da wünsche ich mir nächstes Mal Huntelaar früher. Van Persie ist meines Erachtens kein Ersatz für van Nistelrooy, auch wenn man sagen muss, dass er heute einfach zu wenig Bälle bekommen hat. Huntelaar aber agiert weniger als stumpfer Köpper und Drescher, bewegt sich mehr. Und Bewegung tut jeder Mannschaft gut, wie wir wissen.


GHA - AUS 1:1

Die Australier sind die großen Pechvögel, zumindest sehen sie das selber so. Zweites Spiel, zweite rote Karte, nur diesmal war‘s wirklich knapp. Das Handspiel führte zu Ausschluss und Elfmeter, den Gyan sicher zum 1:1 verwandelte und die sympathischen Ghanaer wieder so sympathisch jubeln ließ. Im Duell der Sympathen ging‘s aber munter weiter, die Australier ließen sich auch in Unterzahl nicht verschüchtern. Leider klappte auch hier das mit der Chancenverwertung nicht so gut. Für Ghana geht‘s nächste Woche gegen Deutschland um den Aufstieg, das wird sicher eine sehr interessante Partie - für beide Seiten. Vielleicht schießt Ghana dann auch mal ein Tor aus dem Spiel?


CMR - DEN 1:2


Hochdramatisch ging es auch beim zweiten Spiel der Gruppe E zu. Kamerun gegen Dänemark war in der ersten Hälfte eine muntere Partie: Eine Mischung aus Harakiri und Hurra mit ein bisschen Hoppsassa und Tralala. Die Dänen waren gezwungen, offensiv zu spielen und deshalb sah das so ganz anders aus als noch gegen die Niederlande. So stand es nach 45 Minuten auch folgerichtig 1:1; Eto‘o traf endlich und Bendtner schloss einen herrlichen Angriff der Dänen ab.

Nach der Pause ging‘s mit Hurra und Hoppsassa weiter, allerdings nur mehr in eine Richtung. Kameruns Spiel erinnerte an die letzten 10 Minuten gegen Japan und man hatte das Gefühl, dass die offensive Übermacht der Afrikaner irgendwann zum Erfolg führen musste. Dänemark bekam noch ein paar gefährliche Chancen aus Kontern und eine davon nützten sie zum 2:1. Kamerun erhöhte den Druck, da eine Niederlage das vorzeitige Aus bedeutet hätte. Man merkte, die wollten spielen, waren extrem motiviert, leider fast ein bisschen zu viel. Die Abwehr wurde vollkommen aufgegeben und es wurde mit vier Stürmern gespielt, die sich leider hin und wieder gegenseitig auf die Füße traten. Dieses Alles-oder-Nichts ist zweifellos eine geile Einstellung, weil konsequent und spektakulär. Wenn es aber nicht zum gewünschten Erfolg führt, sieht das bald einmal tragisch aus. Noch verwunderter darüber, dass Kamerun letztlich doch kein Tor mehr machte, musste man aber darüber sein, dass die dänische Abwehr tatsächlich stand hielt.

Die Dänen waren heute vielleicht nicht so spektakulär wie Kamerun, aber wahrscheinlich einen Tick intelligenter. Schließlich hat sich Kamerun mehr oder weniger selber aufgestellt. Wenn man als Trainer den Forderungen der eigenen Spieler und der Medien nachgibt und die Mannschaft sich selbst aufstellen lässt, ist das eben ein bisschen suboptimal, zumindest aber fragwürdig. Am Kampfgeist hat es ihnen nicht gefehlt, der wäre aber auch mit ein bisschen mehr System da gewesen. Es gehört aber zur Dramatik des Spiels, dass ihnen genau das nicht aufgegangen ist. Uns hat das einen hervorragenden Fußballabend beschert und wir haben mit Kamerun mitgelitten. Das Team aber wird an diesem Spiel endgültig zerbrechen und man kann nur hoffen, dass diese Nationalmannschaft bald einen Trainer findet, der die Löwen auch zähmen kann und ihnen ein paar Kunststücke in Sachen System beibringt. Noch eine Bitte an die Herren Eto‘o und Co.: Macht mir im letzten Spiel keinen Holländer kaputt!

Denn die Niederlande ist als erstes Team jetzt fix im Achtelfinale, während Kamerun der erste Fixausscheider ist. Das bedeutet, dass wir auch im dritten Spiel der Holländer kein Schützenfest erleben werden. Dafür erwartet uns ein Gruppenfinale Dänemark gegen Japan, bei dem es um den Aufstieg geht. Wir wünschen uns die Dänen weiter, weil die Japaner eben zäh wie roher Fisch sind - und irgendwie lästig.


Kurz notiert

Roman Mählich möchte so gern ein Prohaska sein. Jedes Mal bei der Abmoderation schreit er nach dem „Gute Nacht“ des jeweiligen Moderators (heute war es Bernhard Stöhr) noch ein piepsiges „Wiedersehen!“ hinein, obwohl er nicht im Bild ist. Als dächte er: „Wenn ich das oft genug mache, bekomm ich vielleicht irgendwann auch noch eine eigene Kamera, so wie der Herbert.“ Dann könnte er mit seinem Schulbubengrinsen uns noch die Nacht verderben. Sicher nicht!

Manfred Zsak bekommt es einfach nicht auf die Reihe. Oder er hat die Lizenz zum Austrianisieren. Gestern sprach er schon von „Runi“ und „Krautsch“. Heute musste Sneijder dran glauben, der bei ihm zum schnörkellosen „Schneider“ wird. Aua!


Länger notiert


Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Bumm-Zsak Mandi noch dazu unter latentem Rassismus zu leiden scheint. Er meinte sinngemäß nach dem gestrigen USA-Skandal, dass es eigentlich eine Frechheit sei, einen Mann aus Mali das Spiel pfeifen zu lassen, weil die dort ganz anderen Fußball spielen würden. Jetzt kann man sagen, da hat er vielleicht irgendwie Recht, aber andererseits handelt es sich hier um einen FIFA-Schiri. Und nur weil die Schweiz einen anderen Fußball spielt als Argentinien oder Brasilien, würde ein schweizer Schiedsrichter ein mögliches Finale BRA-ARG nicht pfeifen können? Verquere Argumentation.

Was dahinter steckt? Ich will es gar nicht wissen, vermute aber natürlich das Schlechteste. War es nicht auch Manfred Zsak, der beim Bundesliga-Spiel Salzburg gegen Austria (?), als das entscheidende Salzburg-Tor nicht gegeben wurde, weil fälschlicherweise auf Abseits entschieden wurde, was wiederum Salzburg um den vorzeitigen Titel gebracht hat, sinngemäß gesagt hat: „Naja, da hat der Linienrichter wohl den Tschoyi mit dem Afolabi verwechselt.“ (gefolgt von einem dümmlichen Grinsen) So quasi, da kann man dem nicht böse sein, weil wer wird schon den Unterschied merken, wo doch beide so schwarz sind? Wie gesagt, ein deutliches Statement gibt‘s natürlich nicht. Aber irgendwie seltsam sind Zsaks Aussagen schon. Wir müssen vermuten, dass es sich dabei um die Ausgeburten eines stumpfen Kickerhirns (geschult bei der Wiener Austria) handelt, die in so halb-tragbarer Weise an die Oberfläche treten, den Fernsehzuseher aber ein wenig verdutzt zurücklassen. Pfui, Mandi, Pfui!

Ein perfekter Nachmittag und ein lächerlicher Abend

Absurditäten und Ungerechtigkeiten steigern das Glück ins Unerträgliche.


Wann spielt eigentlich England das erste Mal? Bzw. wer hat da heute gegen Algerien gespielt? Und wer ist nochmal dieser Wayne Rooney? Es ist zum Haare raufen mit diesen seltsamen Engländern. Bei den letzten Turnieren entweder nicht dabei, oder geliebter Wackelkandidat, ging man heuer mit großen Erwartungen ins Turnier. Den italienischen Teamchef nahm man in Kauf, nachdem man eine tolle Quali gespielt hatte - und jetzt das. Schon im Match gegen die USA recht schwach begonnen, dachte man heute, die Engländer würden jetzt so richtig in Fahrt kommen und Algerien vom Platz schießen. Nix da.

Was man da heute abend zu sehen bekam, war Fußball der untersten Klasse - zumindest was die Differenz zwischen Potenzial und gezeigter Leistung der Engländer betrifft. Da wurden Fehlpässe produziert, als ginge es darum, wenigstens in dieser Disziplin irgendeinen Rekord brechen zu wollen. Hinten wurde geeiert, vorne wurde verschupft und das Mittelfeld stand - wortwörtlich. Auch die Algerier waren da nicht viel besser, doch die können sich noch auf Nervosität oder mangelnde Klasse „berufen“. Es tat einfach nur weh und als Zuseher wollte man die ganze Zeit abschalten. Spannend war nur, ob das Niveau noch unterboten werden könne - was sich dann leider immer wieder bewahrheitete. England muss raus, und wenn die Slowenen so spielen wie heute gegen die USA, wird das auch für diese englische Mannschaft reichen. Pfui!

So, damit wäre das Unerfreuliche des heutigen Tages behandelt. Denn ansonsten war es ein guter Tag, ein sehr guter sogar. Die beiden anderen Matches waren an Dramatik nämlich kaum zu überbieten (1 Euro ins Phrasenschwein!) und es wurde trotzdem hervorragend Fußball gespielt. Deutschland gegen Serbien, da dachte man natürlich, die deutsche Mannschaft würde es jetzt mal mit einem stärkeren Gegner zu tun bekommen und da würde man schon sehen, was das 4:0 im ersten Spiel wirklich wert ist. Leider ging den Deutschen ihr Spiel gegen die Serben nicht mehr so leicht vom Fuß. Und dann noch dieser Schiedsrichter, der schon in der ersten Hälfte gelbe Karten verteilte wie Kondome am Welt-Aids-Tag. Dann trifft es den sonst so braven Klose mit einer Gelb-Roten und eine Minute später steht es schon 1:0 für Serbien.

Doch Deutschland ließ sich auch in Unterzahl nicht so leicht entmutigen und versuchte, wenn schon nicht alles, so zumindest einiges, um einen Treffer zu erzielen. Gut, der Polanski verschoss heute so Einiges und dem Özil musste man heute trotz eh-nicht-so-schlechter Leistung den Vornamen Lionel wieder wegnehmen. Aber das Elfergeschenk von Vidic (dem Kapitän der serbischen Handballmannschaft, der nebenbei auch noch der teuerste Fußballverteidiger der Welt ist) hätte man zumindest höflicherweise annehmen können. In der Partie war sicher viel Pech dabei, aber auch die Serben haben noch die eine oder andere Chance zur Doppelführung gehabt. Da war alles drin, auf beiden Seiten. Das Gute daran: Die Deutschen wurden vorerst mal wieder von ihrem hohen Ross gerissen, was nicht nur dem Turnier sondern vor allem auch den Deutschen selbst gut tut.


Gut für das Turnier ist vielleicht auch die vorläufige Führung für die Slowenen in Gruppe C. Wer hätte denn das gedacht? Der sympathische aber glanzlose Nachbar hat heute in der ersten Hälfte gegen die USA auch ganz famos gespielt. Leider benötigten die Amis viel Zeit, um ins Spiel zu finden. Doch dann trat das ein, was Prohaska verkündete: Der Liberty-and-God-bless-us-Kampfgeist erwachte in der zweiten Hälfte und die Partie kippte. Donovans Gewaltschuss aus 5 Metern ins kurze Eck lehrte dem slowenischen Torhüter das Fürchten. Der hatte zu tun, vom Ball nicht voll an der Rübe getroffen zu werden, also ließ er ihn lieber rein. Dann durfte Michael Bradley für den hochverdienten Ausgleich sorgen. Und spätestens jetzt waren alle auf dieser Welt (außer vielleicht 2 Millionen Slowenen) für die USA. So ein Kampfgeist, so ein attraktives, offensives Spiel musste doch belohnt werden! Das dachte sich also die ganze Fußballwelt. Nur Koman Coulibaly, der Schiedsrichter aus Mali, dachte sich das nicht. Der dachte sich überhaupt nichts. Dem muss nämlich erstmal einer erklären, was der Unterschied zwischen Denken und Phantasieren ist.

Der phantasierte nämlich, dass beim vollkommen korrekt erzielten Treffer von Edu knapp vor Schluss irgendein Amerighana (sic! Prohaskismus) einen Slowenen hielt oder zog oder bös anschaute. Dabei war es so, dass sechs Slowenen mit sechs Amerikanern im eigenen Strafraum versuchten einen wilden Tango zu tanzen. Seiner Phantasie folgend pfiff Coulibaly aber Foul für Slowenien. Welcher Amerikaner dieses Foul begangen habe, war wahrscheinlich auch Coulibaly nicht ganz klar. Edu war‘s nicht, denn das war der einzige Amerikaner, der gerade nicht von einem Slowenen gezogen oder gehalten wurde und so überhaupt den Treffer erzielen konnte. Bitter für die US-Boys.

Heute erlebten wir also drei sensationelle Enttäuschungen. Die erste war das in dieser Form völlig unerwartete, aber hochdramatische Deutschlandspiel. Da hat vor allem Podolski (vulgo Polanski) enttäuscht. Nicht unbedingt, weil er den Elfer verschossen hat. Aber weil er im ersten Spiel so doll war: Da spielt der eine scheiß Saison, dann stellt ihn der Löw trotzdem auf und er bedankt sich für das Vertrauen mit einer super Leistung und einem Tor. Dann feiern ihn wieder alle. Jetzt ist er aber wieder der Buhmann bzw. der „Prügelprinz Poldi“. Ähnliches gilt für Klose.

Die zweite Sensationelle Enttäuschung war das aberkannte dritte Tor für die USA. Das ist einfach ungerecht. Ein aberkanntes Tor ist oft ungerecht. Aber dieses war doch besonders ungerecht, weil es die ganze Welt wollte. (Außer die 2 Millionen Slowenen, wie gesagt) Was kann eine Fußball-WM leisten? Dass alle mit Amerika Mitleid haben! Schade, dass die Amis das nicht mitbekommen (gerade haben die Lakers die Playoffs gewonnen).

Die dritte Sensationelle Enttäuschung sind die Engländer. Diesmal so sensationell enttäuschend, weil vorher alles so gut ausgesehen hat. Mit Rooney hatte man einen Helden dabei, mit Beckham einen Lackaffen auf der Bank, mit Capello einen fähigen Mann als Teamchef. Und dann ein vermasselter Auftakt und sechs Tage später ein Spiel, nach welchem das Mutterland des Fußballs seine Söhne wohl am liebsten zur Adoption freigeben würde.

Alles in allem also ein toller WM-Tag und wir sehen, dass mit den Favoriten alles in Ordnung ist: Sie werden vorerst ihrer Rolle nicht ganz gerecht. Ausnahme bisher: Argentinien.


Spieler des Tages: Da gäb‘s jetzt mehrere. Einerseits Benny Feilhaber, weil mit ihm heute zum ersten Mal wenigstens ein halber Österreicher bei der WM mitspielte. Und weil er, wie gewisse Damen meinen, „so fesch“ ist. Dann hätte ich noch Landon Donovan anzubieten, der guten Partie und des Brutalotors wegen.


Sehr gefallen haben mir auch die beiden Algerier, die sich zu zweit eine Ballstafette geliefert haben, indem sie während des „Spielaufbaus“ sich gegenseitig den Ball ca. 5 Mal zugepasst haben - auf einer Entfernung von ca. 4 Metern und ohne sich dabei zu bewegen. Das war bezeichnend für das gesamte Spiel.

Kurz notiert

Vier Nordkoreaner sollen anscheinend aus dem Hotel abgehauen sein, um Asyl zu beantragen. Wenn die dem Kim Jong Il heimkommen...!

In Wimbledon werden Vuvuzelas verboten sein. Gute Nachrichten aus England sind selten geworden!

Freitag, 18. Juni 2010

Verspätungen

Wenn sich der Blog verspätet, muss etwas passiert sein. Über das Erwachen der WM.


Wir haben es ja gewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Wenige Tore, wenige Überraschungen - und so vertrieben wir uns die Zeit uns über die Tormannfehler lustig zu machen und uns über die Vuvuzelas aufzuregen. Das ist jetzt aber vorbei. Über Tormannfehler regen wir uns nicht mehr auf, weil sie mittlerweile schon zu dieser WM gehören wie die Vuvuzelas in die Stadien. Über Letztere regen wir uns nicht mehr auf, weil wir uns daran gewöhnt haben - wie man sich an Baustellenlärm gewöhnen kann; nicht richtig, aber die Aufregung ist es nicht mehr wert.

Ja was war denn da mit Spanien los? Haben die doch tatsächlich gegen die Eidgenossen verloren. „Erste große Sensation der WM“, hört man da alle sagen. Dabei haben uns die Spanier nicht einmal enttäuscht, denn das Spiel hat ja gepasst, nur scheint da irgendwas mit der Chancenverwertung nicht hinzuhauen. Anders die Schweizer, die den Ball ins Tor stolpern - was aber nicht heißt, dass die nicht sonst auch gute Chancen gehabt haben. Die Schweizer Abwehr hat den Charakter einer Skimannschaft - nicht sehr schön, aber effizient. An diesen Skifahrern, die auch nach der Verletzung des hässlichen Senderos weiter hoch konzentriert arbeiteten, bissen sich die Spanier die Zähne aus. Tikitaka, ja, aber irgendwie wirkten sie wie die Argentinier und die Holländer in deren ersten Matches - gute Kombination, ausgezeichnetes Passspiel, aber noch einen Tick zu langsam und faul, wenns dann wirklich zum 16er geht. Spanien absolut steigerungsfähig, die Schweiz mit Chancen aufs Achtelfinale.

Und Chile? Ist einer dieser wirklichen Geheimtipps. Das ist wohl der offensivste Fußball, den man als Konzept für die Mannschaft bei dieser WM sehen wird. Offensivlawine, kompletter Overload in der Hälfte des Gegners, viel Vertikalspiel. Das kann erfolgreich sein - vorausgesetzt, es passt auch hier die Chancenverwertung, man kann das Tempo über das Turnier halten und man trifft nicht auf eine Mannschaft, die von einem Kaliber wie Guus Hiddink trainiert wird (der ja eh nicht dabei ist, aber es gibt auch noch andere Teamchefs, die wissen, wie man auf so was reagieren kann).

Dann die große Enttäuschung - unsere herzallerliebsten Südafrikaner sind im Match gegen die Urus untergegangen. Letztere konnten sich im Vergleich zum Spiel gegen Frankreich merklich steigern - hatten es aber auch leichter gegen diese südafrikanische Mannschaft, die in der Verteidigung nicht immer aufpasst und im Spielaufbau an Österreich erinnert. Deswegen werden sie auch als erstes Gastgeberland in der Vorrunde ausscheiden, weil Mexiko sich gegen Frankreich steigern konnte und sich den Aufstieg zusammen mit Uruguay verdient. Frankreich verdient nichts. Auch nicht Spott und Häme, weil man ja eh vorher schon wusste, dass das heuer nix wird. Südafrika? Wir wünschen ihnen gegen Frankreich einen Sieg, von ganzem Herzen!

Die nächsten unglücklichen Afrikaner: Nigeria. Nach einer Führung gegen die ungustiösen Gammelgriechen ging mit Keita das Temperament durch. Der ließ sich zu einer Tätlichkeit gegen Torosidis hinreißen und sah dafür rot. Dumme Geschichte, ganz dumme Geschichte. Denn wenn du den Griechen die Chance gibst, dann holen sie sich den Treffer. Irgendwie. Leider hat der, nach dem ersten Spiel mit Lob überschüttete, nigerianische Torhüter Enyeama nach weiteren zahlreichen Glanztaten dann doch einmal Pech gehabt. Der Ball springt ihm aus der Hand, und der Hellene (ebenjener Torosidis) staubt ab. Ja, abstauben können sie, die Griechen! Jedenfalls lebt jetzt die Chance für die Griechen weiter - zumindest bis zum Argentinien-Match. Wir sehen uns jetzt gezwungen, die Südkoreaner bei ihrem Spiel gegen Nigeria zu unterstützen. Das ist schade.

A propos Argentinien. Auch die kommen jetzt richtig in Fahrt. Das 4:1 gegen die Südkoreaner war jetzt schön langsam eines Weltmeisters in spe würdig. An der Seitenlinie zappelte wieder der argentinische Voodoo-Priester Maradona auf und ab, sah dafür eine konstante Leistung seiner Mannschaft in der ersten Hälfte, die beinahe 2:0 geendet hätte... Wäre da nicht der dumme Demichelis, dieser Bayern-München-Ungustl, der sich stümperhaft von einem Koreaner den Ball abnehmen lässt, was den Anschlusstreffer kurz vor der Pause sichert. Also musste man in der zweiten Halbzeit wieder ran und einen komfortablen Vorsprung herausspielen. Und das taten sie dann auch, mit Messi als dem besten Spieler am Platz. Es ist aber wie verhext - der schießt und schießt kein Tor. Bezeichnend dafür das 3:1, das er super herausspielt. Der Schuss trifft aber dann das Bein des Torhüters, von dort kommt er wieder zurück zu Messi, der schießt nochmal, um dann nur die Stange zu treffen. Der Abstauber ist dann drin - Torschütze Higuain, der in der Partie 3 von 4 Toren erzielte. Tolle Vorstellung, wir freuen uns auf das Achtelfinale.

Frankreich. Raymond Domenech. An dem hat man sich genauso satt gesehen wie an den Evras, Maloudas, Anelkas und Henrys. Letzterer hat irgendwie Maskottchenstatus und wurde nichtmal zum Füßevertreten eingewechselt. Domenech wechselte sowieso nur zwei Mal. Wahrscheinlich hatte er keine Lust, genauso wie wir keine Lust mehr haben, diese Mannschaft zu sehen. Weg mit den Franzosen, schafft euch einen neuen Coach und eine frische Mannschaft an und kommt in zwei Jahren bei der Euro wieder. Da hätten wir mit den Iren, denen ihr mit einem Handspiel die Chance auf die WM vermasselt habt, mehr Freude gehabt. Für das Match gegen Südafrika wünschen wir euch wieder 0 Tore, damit dieser Domenech auch ganz sicher weg ist, und sich Südafrika anständig verabschieden kann. Au Revoir, Tricolore!

Wir sind also verspätet zu einem heißen Turnier mit anständigen Toren gekommen. Jetzt geht‘s also wirklich los. Für ein paar Zuspätgekommene (Frankreich, Südafrika) scheint es jetzt auch schon wieder vorbei zu sein. Wer zu spät kommt...

Nicht zu spät kommen möchte ich jetzt zum Deutschland-Spiel gegen Serbien, denn da erwartet uns wahrscheinlich auch wieder Einiges. Deshalb heute kein Kurz notiert. Für einen Spieler des Tages (der Tage) ist aber noch Zeit.



Spieler des vorgestrigen Tages: Diego Forlán, dem Uru-Bomber aus Madrid, Spielmacher und Goalgetter zugleich. Zwei goldene Schuhe hat er schon (die hatte er auch an, wie irgendein ORF-Experte, wahrscheinlich Zsak oder Mählich, meinte -huhuhu). Bei der WM wird‘s schwieriger, da spielt noch ein gewisser Higuain in einem besseren Team.

Spieler des gestrigen Tages: Lionel Messi. Weil er immer so viel lacht. Auch wenn er verschießt - er lacht. Die Verkörperung der Freude am Spiel, das kreative Herz der Argentinier (auch wenn wir gesehen haben, dass nicht nur er zaubern kann) und Quelle der Inspiration. Wir wünschen ihm - wenn schon nicht dem Rest der Mannschaft - den WM-Pokal.

Mittwoch, 16. Juni 2010

Brave Soldaten und andere Helden

Gewusst: Durchhalteparolen zahlen sich aus - auch wenn das bedeutet, dass der Anspruch sinkt.

Geklärt: Was das Deutsche an Dungas vermeintlich deutschem System ist.

Gefallen: Maicons „Augenschmäh“ hat uns gefallen.


Wir durften heute das bisher attraktivste Unentschieden des Turniers erleben. Macht uns das glücklich? Nein, wenn wir uns vom Fußball immer ein Schützenfest erhoffen - was wir als mittlerweile geübte WM-Seher eh nicht mehr machen. Ja, wenn wir die tatsächlichen Leistungen der Teams beurteilen und uns auf den fußballerischen Willen im Rahmen des Möglichen konzentrieren. So gesehen war das Spiel Portugal gegen die Elfenbeinküste heute eigentlich ein relativer Kracher, wenn auch - und das war zwar weniger überraschend als irgendwie verwunderlich - die Portugiesen wenig Offensives gebracht haben. Jetzt hat man das natürlich vorher schon gewusst, dass es bei denen nicht mehr so läuft wie in den Jahren zuvor. Dazu haben aber heute wiederum die Ivorer Ihriges beigetragen. Es war in jedem Fall eine sehenswerte Partie mit mutigem Fußball, bei dem hie und da das nötige Glück zum Torerfolg gefehlt hat. Und es war ein fröhliches Ronaldo-Treten vonseiten der Afrikaner. Der wiederum reagierte erwartet prollig und zeitweise wie ein beleidigter Schuljunge, obwohl er da teilweise eh im Recht war, denn der Schiedsrichter stand heute öfter im Abseits als die Spieler. Trotzdem scheint mir, dass Christiano Ronaldo halt doch eher ein Kicker ist denn ein verständiger und teamfähiger Fußballer.

Höhepunkt des Matches war aber zweifellos die Einwechslung Didier Drogbas, der entgegen vieler Ankündigungen nicht von Beginn an spielte. Naja, immerhin ist sein Arm noch gebrochen, also war das wahrscheinlich eine vernünftige Entscheidung. Jedenfalls setzte ganz dramatisch der Regen ein, bevor Drogba, der wirkliche panafrikanische Held, das Spielfeld unter tosendem Applaus betrat - nicht einmal die Vuvuzelas hörte man mehr. „Drogba, make Africa proud“, stand da auf einem Schild zu lesen und es war wieder einmal bemerkenswert, dass diese Fußball-WM nicht als rein südafrikanisches Ereignis betrachtet wird, sondern dass sich hier ganz Afrika als würdiger Gastgeber gibt. Und Drogba ist der Superheld, der Stolz Afrikas.

Interessant jedoch, dass, obwohl die Côte d‘Ivoire Drogba mehr als irgendwas anderes zu brauchen scheint, ab dem Zeitpunkt seiner Einwechslung nur mehr wenig lief und die Portugiesen wieder das Ruder an sich rissen. Bis dann in Minute 91 der Superheld höchstpersönlich eine Chance vorfand, diese aber vergab, was ihn wahrscheinlich vor der vorläufigen Unsterblichkeit bewahrte. Hätte er seinem Team durch diesen Treffer zu einem Auftaktsieg verholfen, wäre er zum Nelson Mandela des Fußballs geworden. Heldentum funktioniert also noch - zumindest theoretisch.

Ein bisschen heldenhaft fühlten sich wohl auch die Neuseeländer, die heute gegen die Slowakei ein 1:1 erreichten und damit den ersten WM-Punkt überhaupt für sich verbuchen konnten. Das ist dann schon großes Kino, vor allem, weil das Tor der Slowakei sowieso Abseits gewesen wäre, hätte das nur der Linienrichter auch erkannt. Dieses Unentschieden ist zwar noch nicht die ganz große Sensation, die Neuseeländer aber freuten sich den Arsch ab und jetzt wünscht man ihnen natürlich alles Gute für die nächsten schwierigen Matches gegen Italien und Paraguay, weil die Neuseeländer immer irgendwie sympathisch sind und sie heute trotz allem Kampfgeist bewiesen haben, der Gott sei Dank belohnt wurde. (War ja bis jetzt auch nicht immer so)

Und dann war dann noch diese seltsame Mannschaft aus Nordkorea, deren Fansektor aus - wie schon vermutet - wenigen, wahrscheinlich vom Führer höchstpersönlich ausgesuchten Fans bestand. Oder es waren ein paar Chinesen, die jene Karten ergattert hatten, die der nordkoreanische Fußballbund in China verschenkt hat - oder so. Es ist immer ein bisschen komisch, wenn man über diese nordkoreanische Mannschaft und über das, was dahinter stehen mag, nachdenkt. Sehen die Menschen in der Heimat überhaupt die Spiele? Schneidet das Fernsehen dann im Nachhinein die brasilianischen Tore raus? Dass es in Pjöngjang wohl keine Fanmeile gibt, scheint sicher. Aber dann stelle sich das mal vor, wie das für diese Spieler ist, von denen viele (alle bis auf drei Legionäre, soviel ich weiß) wohl noch nie aus ihrem Land herausgekommen sind - außer halt zu rein fußballerischen Zwecken. Und jetzt stehen sie auf dieser riesigen Fußballbühne und die ganze Welt schaut ihnen zu und im ersten Match geht es gleich gegen Brasilien. Was geht denen da durch den Kopf? Denken die sich wirklich alle „Ich spiele für meine Nation und meinen Führer, den großen Kim Jong Il“? Oder ist da auch Platz für andere, weniger regimetreue Gedanken? Die Vorstellung, dass das alles vom System geschundene Fußballsoldaten sind, ist grauenhaft und will nicht gedacht werden - auch wenn das vielleicht so ist, wovon wir aber wiederum gar nichts wissen.

Und was machen die? Die machen - zumindest eine Halbzeit lang - alles genau richtig! Taktisch hoch diszipliniert unterbanden sie praktische jede Offensivaktion der (zugegebenermaßen in der ersten Hälfte noch etwas trägen) Brasilianer. Letztere glaubten zunächst noch, so einen Koreaner könne man mit ein, zwei Übersteigern schwindlig spielen. Aber nix da, die ließen sich von der brasilianischen Geigerei gar nicht beeindrucken. Also mussten sich die Südamerikaner etwas anderes überlegen.

Und so kam es, dass bei Maicons Treffer zum 1:0 eine kurze Unachtsamkeit der beiden linken koreanischen Verteidiger ausgenutzt, und beim 2:0 die koreanische Abwehrmauer einfach mit einem genialen Pass und viel Laufarbeit aufgerissen wurde. Dass dann Nordkorea sogar noch ein Tor erzielen konnte, obwohl sie ab dem 0:1 unbeeindruckt weiter ihre Mauertaktik verfolgt hatten, ist schon ein Beweis dafür, dass es „kleine“ oder „ungefährliche“, sogenannte Jausengegner nicht mehr gibt. Freilich, Mannschaften wie Nordkorea werden wohl nie Weltmeister werden. Aber bloße Punktelieferanten für die Favoriten sind sie auch nicht mehr, dazu ist im modernen Fußball die Taktik zu wichtig und ausgefeilt geworden. Ein schöner Gedanke, denkt man an Unsympatler-Favoriten (wie Italien), die glauben, fürs Achtelfinale nix arbeiten zu müssen.


Spieler des Tages: Der mir bis jetzt eigentlich unbekannte portugiesische Linksverteidiger Fabio Coentrao, der die Elfenbeinküste zwang, sämtliche Angriffsbemühungen nur und ausschließlich über die andere Seite laufen zu lassen, weil er unglaublich gut aufpasste und auf seiner Seite gar nichts anbrennen ließ. Super Leistung und deshalb Spieler des Tages.


Kurz notiert:

Der nordkoreanische Stürmerstar Jong Tae-Se wurde von manchen mit Wayne Rooney verglichen. Im Interview gebot es ihm seine Höflichkeit, sich für diesen Vergleich natürlich zu bedanken und sich geehrt zu fühlen. Dann aber meinte er, er würde sich lieber mit Drogba vergleichen, dem ähnle er vom Spielertypus her mehr. Jetzt mach mal halblang, lieber Jong! Du kannst als Schurkenstaatbewohner unmöglich hergehen und dich mit dem afrikanischen Fußball-Messias vergleichen! Frech sind sie schon, diese Zinnsoldaten aus dem Land, in dem die Sonne nie untergehen darf. Tztz!

Gervinho von der Elfenbeinküste ist nicht nur ein guter Fußballer. Er sieht auch irgendwie aus wie Samuel L. Jackson.

Auf der brasilianischen Trainerbank war heute hinter Dungas linker Schulter ein Herr zu sehen, der erschreckende Ähnlichkeit mit Hitler hatte. Das also meinen die Medien, wenn sie von „Dungas deutschem System“ schreiben! Carlos Dunga war heute übrigens auch zu sehen im feschen Wintermantel, Modell Russlandfeldzug.

Roman Mählich nannte es „Augenschmäh“: Das kurze Aufschauen Maicons in Richtung Strafraum, die Augen überweit aufgerissen, nicht um da irgendwen sehen zu wollen, sondern um die Koreaner denken zu machen „der spielt da jetzt rein“. Tat er aber nicht. Der schoss direkt, aus einem Winkel von 8,5 Grad. Unglaubliches Tor, unglaublich toller Augenschmäh.

Dienstag, 15. Juni 2010

Die Durchhalte-Devise

Wir dürfen und dürfen nicht enttäuscht sein. Auch ohne ganz groben Tormann-Patzer war‘s heute eine Durchhalte-Parole wert!


Da hört man schon wieder die Miesmacher schreien „Bäääh! Faaad, scheiß Spiele und immer diese Vuvuzelas im Hintergrund!“. Ja, die Vuvuzelas nerven noch immer. Ich dachte, ich hätte mich schon daran gewöhnt, doch das Holland-Spiel belehrte mich eines besseren - so laut war das bis jetzt noch nicht. Aber egal, die Tröten werden nicht verboten und irgendwann ist es einem wirklich schon wurscht. Gut nur, dass sich heute Robin van Persie nach einem Abseitspfiff nicht aus der Ruhe bringen lassen wollte und fein ins Tor eingenetzt hat. Seine Erklärung bestand aus einer Geste, die eine unbestimmte Handbewegung zum Ohr mit einem halbkreisartigen Deuten in das Runde des Stadions vereinte. Übersetzung: „Wie soll ich bei so einem Lärm noch irgendeinen Abseitspfiff hören?“ Da kann man entweder sagen „Hat er vollkommen Recht, der Robin!“ oder man könnte es als angenehme Ausrede auslegen, wovor ich mich (als Holland-Fan) natürlich hüten werde.

Ja und sonst? Das war heute ein fader Tag, was? Man könnte sagen, dass Holland genauso wie Dänemark enttäuscht hat. Die einen, weil sie nicht das erwartete 3:0 eingefahren haben, die anderen, weil sie sich nach taktisch optimaler Defensivleistung von einem Schwitzglatze-Eigentor verunsichern ließen und dann außer verteidigen gar nichts mehr gemacht haben. Eigentlich eine Blödheit, einen 0:1 Rückstand verteidigen zu wollen, aber versteh einer die Dänen! Holland hat eigentlich von der Spielanlage her alles richtig gemacht, nur halt nicht optimal. Da bewegte sich zu wenig und deshalb schicke ich die Holländer zum Zwecke einer Lehrstunde zu den Deutschen. Vielleicht haben die vier Offensiven ein bisschen zu viel Freiheiten, was erklären würde, warum Van der Vaart irgendwo zwischen Van Persie und Sneijder herumulkte, anstatt links ordentliche Akzente zu setzen - wie es sein Substitut Elia dann perfekt gemacht hat. Kein Voetball Totaal heute von den Oranjes, aber das System ist gut und steigerungsfähig - und deshalb turniertauglich. Das Glatzenschweiß-Eigentor von Dänemark war ja eigentlich eine Beleidigung für die holländische Offensivphilosophie und wurde demgemäß auch mit einem verdienten Treffer zum 2:0 quittiert.

Im zweiten Match sah man die immer grimmigen Japaner gegen die immer gut gelaunten Kameruner antreten. Leider drehte sich der Harakiri-Spieß um und die Kameruner waren bald nicht mehr so gut gelaunt. Trotzdem dachte man, dass der japanische Keeper Kawashima die Ausnahme bilden würde im Reigen der sensationell schlechten Tormänner. Die japanische Weisheit besteht darin, dass man nicht verlieren muss, nur weil man einen fehleranfälligen Torhüter hat. Und die japanische Weisheit besteht in taktischer Konsistenz, welche dem offensiv uninspirierten Hau-Drauf-Fußball Kameruns zumindest heute die gelbe Stirn bot. Das Tor war gut, da man so die sonst so grimmigen Japaner jubeln sah und man sie auf einmal wiedererkannte - als immerzu lächelnde Menschen des Landes der aufgehenden Sonne. Der Sieg sei ihnen vergönnt und er tut auch der Gruppe gut. Wer weiß, was da noch auf uns zukommt.

Doch dann die Squadra Azzurra - der Titelverteidiger, dem im Vorfeld so wenig zugetraut wurde - und das zu Recht, wie das heutige Spiel bewies. Enttäuscht hat eigentlich nur Paraguay, weil aus dem an sich guten Team mit hervorragendem Potenzial ein mittelaufregender und verhalten agierender Haufen wurde, der den Italienern zwar schon Paroli bieten, aber keine wirklichen Probleme bereiten konnte. Das 1:1 war für beide Mannschaften eigentlich schmeichelhaft und uns bleibt die Erkenntnis, dass beide Teams aufsteigen können, aber es nur mit viel Glück, Mühe und Not ins Viertelfinale schaffen werden - wenn die Leistung in den verbleibenden Gruppenspielen gleicht bleibt.

Abseits aller Erwartungen und den üblichen Fußball-Gescheitheiten bleibt noch zu bemerken, dass es sich lohnt durchzuhalten. Holland ist noch nicht warm - vielleicht ein gutes Zeichen, wenn man sich die EM 2008 in Erinnerung ruft, als sie in der nominell schwersten Gruppe alle niedergeschossen haben. Japan hat irgendwie überrascht und sie reihen sich in die Erfolgsserie der asiatischen Mannschaften im bisherigen Turnierverlauf ein. Italien ist immer noch Weltmeister und wurschtelt sich erfahrungsgemäß immer irgendwie durch. Und wenn Kamerun so spielt, wie in der heutigen letzten Viertelstunde, kann man auch noch was erreichen. Nur Dänemark und Paraguay müssen sich überlegen, weshalb sie eigentlich nach Südafrika gereist sind und was sie dort genau erreichen wollen. Man bekommt Lust auf die zweite Runde und das (eigentlich nur das) ist Sinn der ersten Runde - dramatisch gesehen.

Ja, und was ist los mit Samuel Eto‘o? Der wirkt bei Inter sonst so still und in sich gekehrt, irgendwie ernst. Heute hat er eigentlich nur gelächelt (dafür aber leider weniger gespielt). Ist das das panafrikanische Fieber? Hat er sich von Ghanas Asamoah Gyan anstecken lassen? Wenn ja, bitte weiter so und auf die anderen Spieler übertragen! Das Turnier braucht diese Energie noch für die Elfenbeinküste. Und damit die armen Vuvuzelas ihre Rechtfertigung erfahren.

Heute habe ich zwei Bilder von Kindern im Stadion gesehen, die von ihren Eltern einen ordentlichen Baustellen-Gehörschutz verpasst bekommen haben. Ich will mich dem ständigen Genöhle über diesen „Ausdruck südafrikanischer Gastfreundlichkeit“ (sinngemäß nach Oliver Polzer) ja nicht uneingeschränkt anschließen, aber - um mal kurz eben in den österreichischen Wirtshauston verfallen zu dürfen - „uns wolln‘s des Rauchen verbieten, weils gesundheitsschädigend is, und den Schas verbieten‘s ned?“ Nein, es wird nicht verboten, aber vielleicht verkauft die FIFA bald auch Fan-Kopfhörer?


Spieler des Tages: Eljero Elia von den Niederlanden, denn er ist neben Lionel (ARG) und Mesüt Özil (GER) der dritte Messi dieser WM. Rafael van der Vaart und seiner hübschen Frau Silvie zum Trotz: der Typ hat wirklich was drauf, und das wollte Oliver Polzer nicht wahrhaben, als er einen technisch brillanten Schmäh des beim HSV unter Vertrag stehenden Jungspunds als ‚Dummheit vor dem Feinde‘ der dänischen Spieler ausweisen wollte. Polzer korrigierte sich nach der Zeitlupenwiederholung und das zu Recht. Elia war heute der beste Spieler von allen Spielern in allen Spielen auf allen Plätzen und der beste Wechsel von allen Wechseln - insofern auch danke an Bert van Marwijk, dem Trainer der Niederlande, dass wir sowas heute erleben durften.


Kurz notiert

Auch bei Roman Mählich schleicht sich allmählich (hoho!) ein Dativ-Gespenst ein. Zitate habe ich leider keine, aber es kam mir ein paar Mal so vor. Oder ist das noch das Schneckerl-Virus, das in mir tobt? Ich werde das weiter beobachten. Total lustig und super spaßig war allerdings, wie Rainer Pariasek dem Mählich eine Vuvuzela in die Hand drückte, damit der dann darauf bläst. Abgesehen davon, dass die Konfrontation eines Dings mit einem Menschen, der dieses Ding nicht zu benutzen weiß, sowieso immer ein wahnsinniger Gag-Garant ist, steigerte Mählich das noch ins Unfassbare und versuchte doch tatsächlich, verkehrt in die Vuvuzela zu blasen! Was haben wir gelacht und uns gedacht „Ha, der ist ja noch blöder als gedacht!“. Doch dann der eigentliche Comic Relief: Der Mählich hat das nur aus Spaß gemacht! Huhu! Der wusste eh, dass er sie verkehrt rum hält! Haha! Na sowas!

Bin heute zum ersten Mal eingeschlafen. Oliver Polzer redet beim Match Niederlande-Dänemark mal wieder minutenlang nix (man hört über sein Mikro aber die Kommentatoren der anderen Sender aufgeregt das Spielgeschehen kommentieren), im Hintergrund die heute in Johannesburg überlauten Vuvuzelas... wer wird es mir da verdenken?

Beim Match Kamerun gegen Japan waren irgendwann mal Fangesänge zu hören. Oder habe ich mich da getäuscht?

Bei der Analyse des Lattenschusses von Mbia kam endlich der silberne Pfeil wieder zum Einsatz! Jetzt weiß ich: das bedeutet „sehr schneller Schuss“. Eh klar - Silberpfeil.

Der Hinweis auf den Videodisplays im Stadion währen des Abspielens der Nationalhymnen wirkt fast schon ironisch. Da steht nämlich „Quiet please!“

Sonntag, 13. Juni 2010

Von Leid und Freud

Tag der Torhüter Part 2. Aber auch Tag der Dummheiten und nicht zuletzt ein Tag der Freude.


Die Deutschen haben uns erlöst und ein bisschen haben die Australier da auch mitgeholfen. Aber endlich bekam man Fußball zu sehen, wo sich was rührt, wo nach vorne kombiniert wird und höchst launig gelaufen, gepasst und geschossen wird. Nicht nur, dass beim 4:0 vier verschiedene Spieler getroffen haben. Auch die Tore waren höchst unterschiedlich und für ihre Schützen charakteristisch: Der Poldi bolzt dem Aussie-Keeper beim 1:0 fast die Hand weg, Klose köpft nach Flanke von Lahm stumpf ein (wo war da heute bei der Analyse Prohaskas silberner Pfeil, der „schneller Kopfball“ bedeutet?), der Müller müllerte nach einem starken Haken in Rooney-Manier den Ball aus der Drehung ins lange Eck und dann gab‘s noch eine unkomplizierte aber pfeilschnelle Özil-Cacau-Kombination zum 4:0. Abgesehen von den Toren sah man eine frisch aufspielende deutsche Mannschaft, deren Defensivmittelfeld (Schweinsteiger und Khedira) jeden Ballack vergessen macht, deren Özil sich den Vornamen Lionel verdienen würde und deren Bollwerk (Friedrich, Mertesacker) heute zwar nicht gefordert wurde, aber trotzdem recht sicher wirkte. Nur der Rotzbub Badstuber war irgendwie nicht da; vielleicht kommt der noch nach.

Und das alles nach einem unansehnlichen Match zwischen Slowenien und Algerien, bei dem sich Zidane auf der Tribüne fadisierte und das mir die Erkenntnis bescherte, dass ein Fliegenfänger nicht immer Engländer sein muss. Fawzi Cha-ouch-i heißt so wie er hält und machte den Patzer von Green vergessen. Es schien, als ließe er den Ball absichtlich ins Tor und stellte sich bei diesem, für einen Torwart ohnehin sehr zweifelhaftem Unterfangen auch noch ungeschickt an. Das ist natürlich bitter, bestätigt aber den Verdacht, dass dies die WM der Torhüter werden könnte: Am ersten Tag hatten wir Oscar Perez, den mexikanischen Hasen, der sicher auch noch zum Handkuss kommen wird, wenn er weiter so durch den Strafraum zu segeln gedenkt. Gestern verzauberte uns Robert Green als Gelsenfänger und heute toppte ihn noch der algerische Plumpser Chaouchi. Solche Dinger sind, so schmerzhaft sie für die Torhüter sein mögen, natürlich höchst unterhaltsam. Und heute sorgte es dafür, dass Slowenien den ersten Sieg bei einer WM feiern durfte und ganz nebenbei noch Tabellenführer wurde. Irgendwo auch eine sensationelle Enttäuschung - es ist also alles gut.

Dann aber Ghana, das durch eine Dummheit des Serben Kuzmanovic wie die Jungfrau zum Kinde zu einem Elfer kam, welchen Asamoah Gyan hervorragend einschoss. Das brachte dieser WM den ersten afrikanischen Sieg und uns wunderbare Szenen von jubelnden Ghanesen, denen nach dem Spiel dann nichts wichtiger war, als zu tanzen und sich offenbar für den ganzen Kontinent zu mitzufreuen. Natürlich hätte man von den Serben mehr erwartet, aber der Gruppe und dem Turnier tut sowas einfach gut und somit geht das in Ordnung (abgesehen davon, dass die Ghanesen trotz des Vorurteils, dass Afrikaner sowas nicht könnten, heute die besseren Taktiker waren - ätsch, Fußballvorurteile!).

Asamoah Gyan fasste das so zusammen: „Ich danke Gott. Jeder von uns hat alles gegeben und stark gespielt. Es war sagenhaft. Wir wollten die drei Punkte und haben sie jetzt auch. Wir sind unglaublich glücklich. Alle Afrikaner freuen sich für uns.“ So ist das. Der Sarpei Hansl machte es dann noch kürzer: „Elfmeter, Tor und drei Punkte.“ Richtig, so ist das eben auch.




Ich freue mich auf das Holland-Match gegen Dänemark, darauf dass sich ganz Afrika morgen auch mit Kamerun mitfreuen kann (es geht gegen Japan) und auf die italienische Mannschaft, den amtierenden Weltmeister, die gegen Paraguay sicher gut verteidigen wird und vielleicht auch das eine oder andere Tor schießen mag.


Mann des Tages: Abdelkader Ghezzal, weil er ganze 15 Minuten auf dem Feld war. Nach seiner Einwechslung holte er sich ganz schnell eine gelbe Karte wegen Trikotziehens, etwas später dann beging er ein unglaublich dummes Handspiel, das ihm die Gelb-Rote bescherte. Beides also Dummheiten, die bestraft gehören. In ihrem zeitlich nahen Zusammenfall stellen sie aber eine Kuriosität dar, die gewürdigt werden will. Daher ist er der Mann des Tages - Gratulation!



Kurz notiert

Schneckerl Prohaska gefiel heute wieder als Grammatik-Maradona und bewies wieder mal, dass der Dativ nicht des Genitivs, sondern des Akkusativs Tod ist:

- Zuerst der Artikel-Schlenzer: „... Und wie's so schön heißt im Fußball: Wenn der Torhüter rauskommt, muss er dem Ball haben."

-Dann das Pronomen-Ferserl: „Für mich [ist] überhaupt Özil der beste Mann der Deutschen. Vieles läuft überihm.“

-Und dann sagte er schon vor dem Spiel wie das mit Miroslav Klose zu handhaben ist: „Entweder du lässtihm zu Hause, wenn du ihm aber mitnimmst, kannst ihm nicht auf die Bank setzen.“ Ein herrlicher lupenreiner Hattrick. Drei Pronominalferserl in einem Satz, ganz ohne Akkusativ!

Vorurteile

Der Tag der Torhüter und warum England heuer wieder im Elferschießen ausscheidet.


Als Kind wächst man mit Vorstellungen über Fußball auf, die vielleicht nicht immer ganz der Wirklichkeit entsprechen, die aber prägend sind für die Art und Weise, wie man Fußballspiele sieht und erlebt und welche Vorurteile man entwickelt. Eine dieser Ideen, die sich schon früh in der kindlichen Vorstellungswelt festsetzten war jene, dass Südamerikaner immer zaubern. Und deshalb war es klar, dass nur Brasilianer oder Argentinier Fallrückzieher- oder Flugkopfballtore schießen können und dies vermeintlich auch sehr oft tun. Engländer hingegen spielen hart und dreschen den Ball vor, um ihm dann nachzulaufen und hinten steht ein schlechter Tormann drin. Wäre ich jetzt noch einmal acht oder zehn Jahre alt, hätte ich mit dem gestrigen Spieltag die reinste Freude gehabt, weil ich alles schon vorher gewusst hätte.

Argentinien begann gegen Nigeria so, wie man es erwartet hatte. Da wurde herum gewirbelt, die nigerianische Abwehr schwindlig gespielt und alles drehte sich in der Offensive um Messi, der sich in guter Form zeigte und viele Chancen für seine Mannschaft herausspielte, leider aber immer am nigerianischen Torhüter scheiterte, der sich gestern nur einmal bezwingen ließ. Es stimmte noch nicht alles bei den Gauchos, aber die hochkomplexe Spielanlage funktioniert im Grunde schon recht gut. Es könnte sein, dass Argentinien gegen stärkere Gegner damit aber Probleme bekommt, v.a. in der Defensive. Da muss dann vorne die Chancenverwertung passen. Die passte gestern allein beim frühen Treffer von Heinze - per Flugkopfball ins Kreuzeck. Südamerikanischer geht‘s kaum, das ist deren natürliche Art Tore zu schießen, scheint es. So wie es bei Messi scheint, dass die natürliche Art der Fortbewegung das Ausspielen zweier oder mehrerer Gegner ist - dafür steht Maradona Pate, der gestern wie ein Giftzwerg gefühlte 89 Minuten lang an der Seitenlinie herumhüpfte.

Beachtenswert war bei Nigeria vor allem die Leistung des Torhüters, Vincent Enyeama. Damit glauben wir schon die Beobachtung machen zu können, dass die afrikanischen Torhüter bei dieser WM stark sind. Auch Enyeamas südafrikanischer Kollege hat vorgestern gut gehalten. Es wird sowieso wieder mal Zeit für eine WM der Tormänner. Die Stars auf dieser Position sind weniger geworden. In Kindheitstagen gab es da Namen wie Sergio Goycochea, Thomas Ravelli, Hans van Breukelen, Andoni Zubizarreta, Toni Meola, Peter Schmeichel, Jorge Campos, Michel Preud‘Homme, Gianluca Pagliuca, und das sind nur die, die mir spontan einfallen.
Momentan sehe ich da nur Buffon, Casillas (eigentlich alle spanischen Torhüter) und dann noch Julio Cesar, die erwähnenswert sind.

Wer in dieser Riege nicht so schnell auftauchen wird, ist Robert Green. Der hat sich gestern, eigentlich in typisch englischer Tormannmanier, eines Steirertors schuldig gemacht wie es im Buche steht. Ein wahrhaftes „Gelsenhammerl“ von Clint Dempsey reichte aus um Green zu bezwingen und den Ausgleich für die USA zu erzielen. Beide Seiten hatten aber auch im restlichen Spiel immer wieder recht gute Chancen, und da konnte sich Green später doch noch auszeichnen, als er einen Schuss von Jozy Altidore aus kurzer Distanz noch an die Torstange lenkte. Allzu sicher sah er aber nie aus und ich bin gespannt, ob er im zweiten Spiel gegen Algerien wieder zwischen den Pfosten steht, oder David James („The Calamity“) Platz machen muss - der selber auch immer für katastrophale Patzer gut ist.

So hat sich gestern ein weiteres Vorurteil bewahrheitet, nämlich dass Engländer schlechte Torhüter sind. Und weil bis jetzt alles so schön nach Vorurteilen sich richtet, wage ich die Prognose, dass England auch heuer wieder im Elferschießen ausscheidet - weil das auch immer so ist. Noch ein Kandidat für ein solches Ausscheiden wäre Holland, und deshalb wünsche ich mir das einzige Elferschießen dieser WM zwischen England und Holland, das dann Holland gewinnen soll, weil England noch weniger im Elferschießen gewinnen kann (darf) als die Holländer. So einfach ist die Fußballwelt manchmal!



Kurz notiert


Diego Maradona sieht aus wie ein neapolitanischer Pizzabäcker auf der Hochzeit seines Bruders. Der Anzug passt ihm nicht nur nicht, er steht ihm auch überhaupt kein bisschen. Aber er sieht aus wie eine Comicfigur und das ist zumindest sympathisch.

David Beckham sieht aus wie ein britischer Internatsschüler, der beim Schülerligamatch nicht mitspielen will, damit er sich nicht dreckig macht und die Mama nicht wieder schimpft. Maybe a bit too stylish for the pitch!

Thomas König sagte gestern einmal zu Lars Lagerbäck „Lagerfeld“. Da musste ich mir einen Fächer wedelnden Karl Lagerfeld am Spielfeldrand vorstellen und wie dessen Kreativität den Nigerianern schaden könnte.

Manfred Zsak geht wieder mal gar nicht. Ich will ihm (sic! Prohaskismus) nicht mehr sehen und ihn (sic!) nicht mehr zuhören. Ich will, das Prohaska uns erklärt, wie schnell der Kopfball von Gabriel Heinze genau war und was der silberne Pfeil dann auf dem Analysebildschirm bedeutet (schnell? Kopfball? unhaltbar?).

Nochmal Maradona, der nach dem Spiel Lionel Messi hochgehoben und abgebusselt hat, wo man dann entsetzt feststellte, dass Maradona ja noch um einiges kleiner ist als der ohnehin schon winzige Messi.

Bart des Turniers: Oguchi Onyewu, der amerikanische Freizeittaliban. So etwas Dichtes hab ich selten im Gesicht eines Mannes gesehen.

Glatze des Turniers bis jetzt: Schiedsrichter Carlos Simon aus Brasilien. Die verschwitzte Stirnglatze und das zurückgeschleckte Resthaar geben ihm das Aussehen eines italienischen Gargamels.