Sonntag, 13. Juni 2010

Vorurteile

Der Tag der Torhüter und warum England heuer wieder im Elferschießen ausscheidet.


Als Kind wächst man mit Vorstellungen über Fußball auf, die vielleicht nicht immer ganz der Wirklichkeit entsprechen, die aber prägend sind für die Art und Weise, wie man Fußballspiele sieht und erlebt und welche Vorurteile man entwickelt. Eine dieser Ideen, die sich schon früh in der kindlichen Vorstellungswelt festsetzten war jene, dass Südamerikaner immer zaubern. Und deshalb war es klar, dass nur Brasilianer oder Argentinier Fallrückzieher- oder Flugkopfballtore schießen können und dies vermeintlich auch sehr oft tun. Engländer hingegen spielen hart und dreschen den Ball vor, um ihm dann nachzulaufen und hinten steht ein schlechter Tormann drin. Wäre ich jetzt noch einmal acht oder zehn Jahre alt, hätte ich mit dem gestrigen Spieltag die reinste Freude gehabt, weil ich alles schon vorher gewusst hätte.

Argentinien begann gegen Nigeria so, wie man es erwartet hatte. Da wurde herum gewirbelt, die nigerianische Abwehr schwindlig gespielt und alles drehte sich in der Offensive um Messi, der sich in guter Form zeigte und viele Chancen für seine Mannschaft herausspielte, leider aber immer am nigerianischen Torhüter scheiterte, der sich gestern nur einmal bezwingen ließ. Es stimmte noch nicht alles bei den Gauchos, aber die hochkomplexe Spielanlage funktioniert im Grunde schon recht gut. Es könnte sein, dass Argentinien gegen stärkere Gegner damit aber Probleme bekommt, v.a. in der Defensive. Da muss dann vorne die Chancenverwertung passen. Die passte gestern allein beim frühen Treffer von Heinze - per Flugkopfball ins Kreuzeck. Südamerikanischer geht‘s kaum, das ist deren natürliche Art Tore zu schießen, scheint es. So wie es bei Messi scheint, dass die natürliche Art der Fortbewegung das Ausspielen zweier oder mehrerer Gegner ist - dafür steht Maradona Pate, der gestern wie ein Giftzwerg gefühlte 89 Minuten lang an der Seitenlinie herumhüpfte.

Beachtenswert war bei Nigeria vor allem die Leistung des Torhüters, Vincent Enyeama. Damit glauben wir schon die Beobachtung machen zu können, dass die afrikanischen Torhüter bei dieser WM stark sind. Auch Enyeamas südafrikanischer Kollege hat vorgestern gut gehalten. Es wird sowieso wieder mal Zeit für eine WM der Tormänner. Die Stars auf dieser Position sind weniger geworden. In Kindheitstagen gab es da Namen wie Sergio Goycochea, Thomas Ravelli, Hans van Breukelen, Andoni Zubizarreta, Toni Meola, Peter Schmeichel, Jorge Campos, Michel Preud‘Homme, Gianluca Pagliuca, und das sind nur die, die mir spontan einfallen.
Momentan sehe ich da nur Buffon, Casillas (eigentlich alle spanischen Torhüter) und dann noch Julio Cesar, die erwähnenswert sind.

Wer in dieser Riege nicht so schnell auftauchen wird, ist Robert Green. Der hat sich gestern, eigentlich in typisch englischer Tormannmanier, eines Steirertors schuldig gemacht wie es im Buche steht. Ein wahrhaftes „Gelsenhammerl“ von Clint Dempsey reichte aus um Green zu bezwingen und den Ausgleich für die USA zu erzielen. Beide Seiten hatten aber auch im restlichen Spiel immer wieder recht gute Chancen, und da konnte sich Green später doch noch auszeichnen, als er einen Schuss von Jozy Altidore aus kurzer Distanz noch an die Torstange lenkte. Allzu sicher sah er aber nie aus und ich bin gespannt, ob er im zweiten Spiel gegen Algerien wieder zwischen den Pfosten steht, oder David James („The Calamity“) Platz machen muss - der selber auch immer für katastrophale Patzer gut ist.

So hat sich gestern ein weiteres Vorurteil bewahrheitet, nämlich dass Engländer schlechte Torhüter sind. Und weil bis jetzt alles so schön nach Vorurteilen sich richtet, wage ich die Prognose, dass England auch heuer wieder im Elferschießen ausscheidet - weil das auch immer so ist. Noch ein Kandidat für ein solches Ausscheiden wäre Holland, und deshalb wünsche ich mir das einzige Elferschießen dieser WM zwischen England und Holland, das dann Holland gewinnen soll, weil England noch weniger im Elferschießen gewinnen kann (darf) als die Holländer. So einfach ist die Fußballwelt manchmal!



Kurz notiert


Diego Maradona sieht aus wie ein neapolitanischer Pizzabäcker auf der Hochzeit seines Bruders. Der Anzug passt ihm nicht nur nicht, er steht ihm auch überhaupt kein bisschen. Aber er sieht aus wie eine Comicfigur und das ist zumindest sympathisch.

David Beckham sieht aus wie ein britischer Internatsschüler, der beim Schülerligamatch nicht mitspielen will, damit er sich nicht dreckig macht und die Mama nicht wieder schimpft. Maybe a bit too stylish for the pitch!

Thomas König sagte gestern einmal zu Lars Lagerbäck „Lagerfeld“. Da musste ich mir einen Fächer wedelnden Karl Lagerfeld am Spielfeldrand vorstellen und wie dessen Kreativität den Nigerianern schaden könnte.

Manfred Zsak geht wieder mal gar nicht. Ich will ihm (sic! Prohaskismus) nicht mehr sehen und ihn (sic!) nicht mehr zuhören. Ich will, das Prohaska uns erklärt, wie schnell der Kopfball von Gabriel Heinze genau war und was der silberne Pfeil dann auf dem Analysebildschirm bedeutet (schnell? Kopfball? unhaltbar?).

Nochmal Maradona, der nach dem Spiel Lionel Messi hochgehoben und abgebusselt hat, wo man dann entsetzt feststellte, dass Maradona ja noch um einiges kleiner ist als der ohnehin schon winzige Messi.

Bart des Turniers: Oguchi Onyewu, der amerikanische Freizeittaliban. So etwas Dichtes hab ich selten im Gesicht eines Mannes gesehen.

Glatze des Turniers bis jetzt: Schiedsrichter Carlos Simon aus Brasilien. Die verschwitzte Stirnglatze und das zurückgeschleckte Resthaar geben ihm das Aussehen eines italienischen Gargamels.

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