Dienstag, 15. Juni 2010

Die Durchhalte-Devise

Wir dürfen und dürfen nicht enttäuscht sein. Auch ohne ganz groben Tormann-Patzer war‘s heute eine Durchhalte-Parole wert!


Da hört man schon wieder die Miesmacher schreien „Bäääh! Faaad, scheiß Spiele und immer diese Vuvuzelas im Hintergrund!“. Ja, die Vuvuzelas nerven noch immer. Ich dachte, ich hätte mich schon daran gewöhnt, doch das Holland-Spiel belehrte mich eines besseren - so laut war das bis jetzt noch nicht. Aber egal, die Tröten werden nicht verboten und irgendwann ist es einem wirklich schon wurscht. Gut nur, dass sich heute Robin van Persie nach einem Abseitspfiff nicht aus der Ruhe bringen lassen wollte und fein ins Tor eingenetzt hat. Seine Erklärung bestand aus einer Geste, die eine unbestimmte Handbewegung zum Ohr mit einem halbkreisartigen Deuten in das Runde des Stadions vereinte. Übersetzung: „Wie soll ich bei so einem Lärm noch irgendeinen Abseitspfiff hören?“ Da kann man entweder sagen „Hat er vollkommen Recht, der Robin!“ oder man könnte es als angenehme Ausrede auslegen, wovor ich mich (als Holland-Fan) natürlich hüten werde.

Ja und sonst? Das war heute ein fader Tag, was? Man könnte sagen, dass Holland genauso wie Dänemark enttäuscht hat. Die einen, weil sie nicht das erwartete 3:0 eingefahren haben, die anderen, weil sie sich nach taktisch optimaler Defensivleistung von einem Schwitzglatze-Eigentor verunsichern ließen und dann außer verteidigen gar nichts mehr gemacht haben. Eigentlich eine Blödheit, einen 0:1 Rückstand verteidigen zu wollen, aber versteh einer die Dänen! Holland hat eigentlich von der Spielanlage her alles richtig gemacht, nur halt nicht optimal. Da bewegte sich zu wenig und deshalb schicke ich die Holländer zum Zwecke einer Lehrstunde zu den Deutschen. Vielleicht haben die vier Offensiven ein bisschen zu viel Freiheiten, was erklären würde, warum Van der Vaart irgendwo zwischen Van Persie und Sneijder herumulkte, anstatt links ordentliche Akzente zu setzen - wie es sein Substitut Elia dann perfekt gemacht hat. Kein Voetball Totaal heute von den Oranjes, aber das System ist gut und steigerungsfähig - und deshalb turniertauglich. Das Glatzenschweiß-Eigentor von Dänemark war ja eigentlich eine Beleidigung für die holländische Offensivphilosophie und wurde demgemäß auch mit einem verdienten Treffer zum 2:0 quittiert.

Im zweiten Match sah man die immer grimmigen Japaner gegen die immer gut gelaunten Kameruner antreten. Leider drehte sich der Harakiri-Spieß um und die Kameruner waren bald nicht mehr so gut gelaunt. Trotzdem dachte man, dass der japanische Keeper Kawashima die Ausnahme bilden würde im Reigen der sensationell schlechten Tormänner. Die japanische Weisheit besteht darin, dass man nicht verlieren muss, nur weil man einen fehleranfälligen Torhüter hat. Und die japanische Weisheit besteht in taktischer Konsistenz, welche dem offensiv uninspirierten Hau-Drauf-Fußball Kameruns zumindest heute die gelbe Stirn bot. Das Tor war gut, da man so die sonst so grimmigen Japaner jubeln sah und man sie auf einmal wiedererkannte - als immerzu lächelnde Menschen des Landes der aufgehenden Sonne. Der Sieg sei ihnen vergönnt und er tut auch der Gruppe gut. Wer weiß, was da noch auf uns zukommt.

Doch dann die Squadra Azzurra - der Titelverteidiger, dem im Vorfeld so wenig zugetraut wurde - und das zu Recht, wie das heutige Spiel bewies. Enttäuscht hat eigentlich nur Paraguay, weil aus dem an sich guten Team mit hervorragendem Potenzial ein mittelaufregender und verhalten agierender Haufen wurde, der den Italienern zwar schon Paroli bieten, aber keine wirklichen Probleme bereiten konnte. Das 1:1 war für beide Mannschaften eigentlich schmeichelhaft und uns bleibt die Erkenntnis, dass beide Teams aufsteigen können, aber es nur mit viel Glück, Mühe und Not ins Viertelfinale schaffen werden - wenn die Leistung in den verbleibenden Gruppenspielen gleicht bleibt.

Abseits aller Erwartungen und den üblichen Fußball-Gescheitheiten bleibt noch zu bemerken, dass es sich lohnt durchzuhalten. Holland ist noch nicht warm - vielleicht ein gutes Zeichen, wenn man sich die EM 2008 in Erinnerung ruft, als sie in der nominell schwersten Gruppe alle niedergeschossen haben. Japan hat irgendwie überrascht und sie reihen sich in die Erfolgsserie der asiatischen Mannschaften im bisherigen Turnierverlauf ein. Italien ist immer noch Weltmeister und wurschtelt sich erfahrungsgemäß immer irgendwie durch. Und wenn Kamerun so spielt, wie in der heutigen letzten Viertelstunde, kann man auch noch was erreichen. Nur Dänemark und Paraguay müssen sich überlegen, weshalb sie eigentlich nach Südafrika gereist sind und was sie dort genau erreichen wollen. Man bekommt Lust auf die zweite Runde und das (eigentlich nur das) ist Sinn der ersten Runde - dramatisch gesehen.

Ja, und was ist los mit Samuel Eto‘o? Der wirkt bei Inter sonst so still und in sich gekehrt, irgendwie ernst. Heute hat er eigentlich nur gelächelt (dafür aber leider weniger gespielt). Ist das das panafrikanische Fieber? Hat er sich von Ghanas Asamoah Gyan anstecken lassen? Wenn ja, bitte weiter so und auf die anderen Spieler übertragen! Das Turnier braucht diese Energie noch für die Elfenbeinküste. Und damit die armen Vuvuzelas ihre Rechtfertigung erfahren.

Heute habe ich zwei Bilder von Kindern im Stadion gesehen, die von ihren Eltern einen ordentlichen Baustellen-Gehörschutz verpasst bekommen haben. Ich will mich dem ständigen Genöhle über diesen „Ausdruck südafrikanischer Gastfreundlichkeit“ (sinngemäß nach Oliver Polzer) ja nicht uneingeschränkt anschließen, aber - um mal kurz eben in den österreichischen Wirtshauston verfallen zu dürfen - „uns wolln‘s des Rauchen verbieten, weils gesundheitsschädigend is, und den Schas verbieten‘s ned?“ Nein, es wird nicht verboten, aber vielleicht verkauft die FIFA bald auch Fan-Kopfhörer?


Spieler des Tages: Eljero Elia von den Niederlanden, denn er ist neben Lionel (ARG) und Mesüt Özil (GER) der dritte Messi dieser WM. Rafael van der Vaart und seiner hübschen Frau Silvie zum Trotz: der Typ hat wirklich was drauf, und das wollte Oliver Polzer nicht wahrhaben, als er einen technisch brillanten Schmäh des beim HSV unter Vertrag stehenden Jungspunds als ‚Dummheit vor dem Feinde‘ der dänischen Spieler ausweisen wollte. Polzer korrigierte sich nach der Zeitlupenwiederholung und das zu Recht. Elia war heute der beste Spieler von allen Spielern in allen Spielen auf allen Plätzen und der beste Wechsel von allen Wechseln - insofern auch danke an Bert van Marwijk, dem Trainer der Niederlande, dass wir sowas heute erleben durften.


Kurz notiert

Auch bei Roman Mählich schleicht sich allmählich (hoho!) ein Dativ-Gespenst ein. Zitate habe ich leider keine, aber es kam mir ein paar Mal so vor. Oder ist das noch das Schneckerl-Virus, das in mir tobt? Ich werde das weiter beobachten. Total lustig und super spaßig war allerdings, wie Rainer Pariasek dem Mählich eine Vuvuzela in die Hand drückte, damit der dann darauf bläst. Abgesehen davon, dass die Konfrontation eines Dings mit einem Menschen, der dieses Ding nicht zu benutzen weiß, sowieso immer ein wahnsinniger Gag-Garant ist, steigerte Mählich das noch ins Unfassbare und versuchte doch tatsächlich, verkehrt in die Vuvuzela zu blasen! Was haben wir gelacht und uns gedacht „Ha, der ist ja noch blöder als gedacht!“. Doch dann der eigentliche Comic Relief: Der Mählich hat das nur aus Spaß gemacht! Huhu! Der wusste eh, dass er sie verkehrt rum hält! Haha! Na sowas!

Bin heute zum ersten Mal eingeschlafen. Oliver Polzer redet beim Match Niederlande-Dänemark mal wieder minutenlang nix (man hört über sein Mikro aber die Kommentatoren der anderen Sender aufgeregt das Spielgeschehen kommentieren), im Hintergrund die heute in Johannesburg überlauten Vuvuzelas... wer wird es mir da verdenken?

Beim Match Kamerun gegen Japan waren irgendwann mal Fangesänge zu hören. Oder habe ich mich da getäuscht?

Bei der Analyse des Lattenschusses von Mbia kam endlich der silberne Pfeil wieder zum Einsatz! Jetzt weiß ich: das bedeutet „sehr schneller Schuss“. Eh klar - Silberpfeil.

Der Hinweis auf den Videodisplays im Stadion währen des Abspielens der Nationalhymnen wirkt fast schon ironisch. Da steht nämlich „Quiet please!“

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