Samstag, 19. Juni 2010

Ein perfekter Nachmittag und ein lächerlicher Abend

Absurditäten und Ungerechtigkeiten steigern das Glück ins Unerträgliche.


Wann spielt eigentlich England das erste Mal? Bzw. wer hat da heute gegen Algerien gespielt? Und wer ist nochmal dieser Wayne Rooney? Es ist zum Haare raufen mit diesen seltsamen Engländern. Bei den letzten Turnieren entweder nicht dabei, oder geliebter Wackelkandidat, ging man heuer mit großen Erwartungen ins Turnier. Den italienischen Teamchef nahm man in Kauf, nachdem man eine tolle Quali gespielt hatte - und jetzt das. Schon im Match gegen die USA recht schwach begonnen, dachte man heute, die Engländer würden jetzt so richtig in Fahrt kommen und Algerien vom Platz schießen. Nix da.

Was man da heute abend zu sehen bekam, war Fußball der untersten Klasse - zumindest was die Differenz zwischen Potenzial und gezeigter Leistung der Engländer betrifft. Da wurden Fehlpässe produziert, als ginge es darum, wenigstens in dieser Disziplin irgendeinen Rekord brechen zu wollen. Hinten wurde geeiert, vorne wurde verschupft und das Mittelfeld stand - wortwörtlich. Auch die Algerier waren da nicht viel besser, doch die können sich noch auf Nervosität oder mangelnde Klasse „berufen“. Es tat einfach nur weh und als Zuseher wollte man die ganze Zeit abschalten. Spannend war nur, ob das Niveau noch unterboten werden könne - was sich dann leider immer wieder bewahrheitete. England muss raus, und wenn die Slowenen so spielen wie heute gegen die USA, wird das auch für diese englische Mannschaft reichen. Pfui!

So, damit wäre das Unerfreuliche des heutigen Tages behandelt. Denn ansonsten war es ein guter Tag, ein sehr guter sogar. Die beiden anderen Matches waren an Dramatik nämlich kaum zu überbieten (1 Euro ins Phrasenschwein!) und es wurde trotzdem hervorragend Fußball gespielt. Deutschland gegen Serbien, da dachte man natürlich, die deutsche Mannschaft würde es jetzt mal mit einem stärkeren Gegner zu tun bekommen und da würde man schon sehen, was das 4:0 im ersten Spiel wirklich wert ist. Leider ging den Deutschen ihr Spiel gegen die Serben nicht mehr so leicht vom Fuß. Und dann noch dieser Schiedsrichter, der schon in der ersten Hälfte gelbe Karten verteilte wie Kondome am Welt-Aids-Tag. Dann trifft es den sonst so braven Klose mit einer Gelb-Roten und eine Minute später steht es schon 1:0 für Serbien.

Doch Deutschland ließ sich auch in Unterzahl nicht so leicht entmutigen und versuchte, wenn schon nicht alles, so zumindest einiges, um einen Treffer zu erzielen. Gut, der Polanski verschoss heute so Einiges und dem Özil musste man heute trotz eh-nicht-so-schlechter Leistung den Vornamen Lionel wieder wegnehmen. Aber das Elfergeschenk von Vidic (dem Kapitän der serbischen Handballmannschaft, der nebenbei auch noch der teuerste Fußballverteidiger der Welt ist) hätte man zumindest höflicherweise annehmen können. In der Partie war sicher viel Pech dabei, aber auch die Serben haben noch die eine oder andere Chance zur Doppelführung gehabt. Da war alles drin, auf beiden Seiten. Das Gute daran: Die Deutschen wurden vorerst mal wieder von ihrem hohen Ross gerissen, was nicht nur dem Turnier sondern vor allem auch den Deutschen selbst gut tut.


Gut für das Turnier ist vielleicht auch die vorläufige Führung für die Slowenen in Gruppe C. Wer hätte denn das gedacht? Der sympathische aber glanzlose Nachbar hat heute in der ersten Hälfte gegen die USA auch ganz famos gespielt. Leider benötigten die Amis viel Zeit, um ins Spiel zu finden. Doch dann trat das ein, was Prohaska verkündete: Der Liberty-and-God-bless-us-Kampfgeist erwachte in der zweiten Hälfte und die Partie kippte. Donovans Gewaltschuss aus 5 Metern ins kurze Eck lehrte dem slowenischen Torhüter das Fürchten. Der hatte zu tun, vom Ball nicht voll an der Rübe getroffen zu werden, also ließ er ihn lieber rein. Dann durfte Michael Bradley für den hochverdienten Ausgleich sorgen. Und spätestens jetzt waren alle auf dieser Welt (außer vielleicht 2 Millionen Slowenen) für die USA. So ein Kampfgeist, so ein attraktives, offensives Spiel musste doch belohnt werden! Das dachte sich also die ganze Fußballwelt. Nur Koman Coulibaly, der Schiedsrichter aus Mali, dachte sich das nicht. Der dachte sich überhaupt nichts. Dem muss nämlich erstmal einer erklären, was der Unterschied zwischen Denken und Phantasieren ist.

Der phantasierte nämlich, dass beim vollkommen korrekt erzielten Treffer von Edu knapp vor Schluss irgendein Amerighana (sic! Prohaskismus) einen Slowenen hielt oder zog oder bös anschaute. Dabei war es so, dass sechs Slowenen mit sechs Amerikanern im eigenen Strafraum versuchten einen wilden Tango zu tanzen. Seiner Phantasie folgend pfiff Coulibaly aber Foul für Slowenien. Welcher Amerikaner dieses Foul begangen habe, war wahrscheinlich auch Coulibaly nicht ganz klar. Edu war‘s nicht, denn das war der einzige Amerikaner, der gerade nicht von einem Slowenen gezogen oder gehalten wurde und so überhaupt den Treffer erzielen konnte. Bitter für die US-Boys.

Heute erlebten wir also drei sensationelle Enttäuschungen. Die erste war das in dieser Form völlig unerwartete, aber hochdramatische Deutschlandspiel. Da hat vor allem Podolski (vulgo Polanski) enttäuscht. Nicht unbedingt, weil er den Elfer verschossen hat. Aber weil er im ersten Spiel so doll war: Da spielt der eine scheiß Saison, dann stellt ihn der Löw trotzdem auf und er bedankt sich für das Vertrauen mit einer super Leistung und einem Tor. Dann feiern ihn wieder alle. Jetzt ist er aber wieder der Buhmann bzw. der „Prügelprinz Poldi“. Ähnliches gilt für Klose.

Die zweite Sensationelle Enttäuschung war das aberkannte dritte Tor für die USA. Das ist einfach ungerecht. Ein aberkanntes Tor ist oft ungerecht. Aber dieses war doch besonders ungerecht, weil es die ganze Welt wollte. (Außer die 2 Millionen Slowenen, wie gesagt) Was kann eine Fußball-WM leisten? Dass alle mit Amerika Mitleid haben! Schade, dass die Amis das nicht mitbekommen (gerade haben die Lakers die Playoffs gewonnen).

Die dritte Sensationelle Enttäuschung sind die Engländer. Diesmal so sensationell enttäuschend, weil vorher alles so gut ausgesehen hat. Mit Rooney hatte man einen Helden dabei, mit Beckham einen Lackaffen auf der Bank, mit Capello einen fähigen Mann als Teamchef. Und dann ein vermasselter Auftakt und sechs Tage später ein Spiel, nach welchem das Mutterland des Fußballs seine Söhne wohl am liebsten zur Adoption freigeben würde.

Alles in allem also ein toller WM-Tag und wir sehen, dass mit den Favoriten alles in Ordnung ist: Sie werden vorerst ihrer Rolle nicht ganz gerecht. Ausnahme bisher: Argentinien.


Spieler des Tages: Da gäb‘s jetzt mehrere. Einerseits Benny Feilhaber, weil mit ihm heute zum ersten Mal wenigstens ein halber Österreicher bei der WM mitspielte. Und weil er, wie gewisse Damen meinen, „so fesch“ ist. Dann hätte ich noch Landon Donovan anzubieten, der guten Partie und des Brutalotors wegen.


Sehr gefallen haben mir auch die beiden Algerier, die sich zu zweit eine Ballstafette geliefert haben, indem sie während des „Spielaufbaus“ sich gegenseitig den Ball ca. 5 Mal zugepasst haben - auf einer Entfernung von ca. 4 Metern und ohne sich dabei zu bewegen. Das war bezeichnend für das gesamte Spiel.

Kurz notiert

Vier Nordkoreaner sollen anscheinend aus dem Hotel abgehauen sein, um Asyl zu beantragen. Wenn die dem Kim Jong Il heimkommen...!

In Wimbledon werden Vuvuzelas verboten sein. Gute Nachrichten aus England sind selten geworden!

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