Dienstag, 22. Juni 2010

Das Element Spannung

Iker Casillas bekam heute nichts zu halten. Seine Freundin hält wenigstens das Mikrophon in der Hand und die spanischen Fernsehzuseher in hechelndem Atem.


Außerdem gab‘s noch Fußball: genialen und vermeintlich genialen. Und wir begrüßen Spanien und Portugal bei der WM-Endrunde!


CHI-SUI 1:0 (und ein bisschen CIV-BRA 1:3)


Offensivbollwerk: Klingt wie ein Oxymoron, ist aber keines, wenn man sich das Spiel der Chilenen heute angesehen hat. Da werden sämtliche Kriegsmetaphern aktiviert: Belagerung des Schweizer Strafraums, Flankenbombardement, Beschuss des Tors... nur „Blitzkrieg“ hat keiner gesagt. Erstens, weil das Spiel 90 Minuten (meist länger) dauert. Zweitens, weil das ganze Holterdipolter nix nützt, wenn man am Ende wieder nur ein Tor macht. Trotzdem, die Chilenen zeigen den offensiven "Willen zur Macht". Man merkt, die Spieler WOLLEN laufen, WOLLEN angreifen, sich bewegen, Räume schaffen etc. Das wollten die Brasilianer gestern zum Beispiel überhaupt nicht. Übrigens: Eine Laufleistung wie sie z.B. Sanchez gezeigt hat ist keine Frage der Fitness, sondern der Motivation!

Gratulation aber auch an die Schweizer, die nach dem Ausschluss Behramis (zweifelhafte rote Karte, vor allem angesichts vieler anderer Entscheidungen in der Partie) einen neuen Rekord aufgestellt haben. 558 Minuten ohne WM-Gegentor. Damit haben sie sogar die Italiener, die bekanntermaßen beim Mauern im Fußball fleißiger sind als beim Mauern ihrer Häuser, in den Schatten gestellt. Bis zum Gegentor hat das wirklich nach Unverwundbarkeit ausgesehen. Aber der Wille zur Macht war stärker und nun haben sie doch verloren, die Schweizer.

Der Schiedsrichter? Ein armer Tor, ohne Autorität, ohne klare Linie. Ein bisschen so wie der gestern bei BRA gg. CIV, ein Spiel, über das ich eigentlich gar nicht wirklich schreiben will. Aber diese bezeichnende Szene zwischen dem Schiedsrichter und Luis Fabiano nach seinem Doppelhandspieltor hat sich schon einen Kommentar verdient. Hat der Schiedsrichter Luis Fabiano etwa gefragt "Du, beim Tor hast du dir den Ball aber schon mit der Hand gestoppt, gell?" Luis Fabiano: "Ich? Naaa! Das war mit der Brust!" Der Schiedsrichter schmunzelt und deutet mit ironischer Miene auf seine Brust: "Brust, gell? Jaja, mit der Brust hast du den gestoppt!" (Augengezwinkere). Ja sag einmal! Entweder der sieht das, dann ist das zu pfeifen. Oder er sieht es nicht, dann gibt's nix zum ironisch kommentieren. Komische Leut, diese Schiris.

Ahja, und dann noch zum Kaká, der gestern schon wieder so gespielt hat wie er heißt. Nicht einmal Schatten seiner selbst, denn gestern warf er nur einen ganz kleinen. Das Dumme daran ist: Dennoch hat er zwei Tore vorbereitet. Den ersten Pass aber als "genial" zu bezeichnen, geht mir persönlich zu weit. Da war nur eine Lücke (zugegeben war‘s eine kleine), durch die er den Ball sinnvollerweise spielen hätte können. Das ist ihm auch gelungen. Dazu aber braucht es kein Genie. Er hat weder eine besondere Lücke gesehen (es war ja die einzige, die da war), noch war der Ball besonders lang (er rollte vielleicht 5 Meter). Und dafür, dass er einen Ball fünf Meter in eine Richtung schupfen kann, wird er gut bezahlt. Zudem hat er noch Glück gehabt, dass er bei dieser Aktion überhaupt den Ball unter Kontrolle bekommen hat. Wo das jetzt "genial" war, weiß ich nicht. Ich will ja Kakás Leistung nicht schmälern - sie war eh schon schmal genug - aber nicht jede Aktion eines (in diesem Falle ehemaligen) Genies ist auch eine Genietat. Goethe hat schließlich auch keine besonders genialen Einkaufslisten geschrieben, nur weil er genialer Dichter war. (Das ist jetzt mal eine Vermutung. Goethe hat wahrscheinlich überhaupt nie eine Einkaufsliste geschrieben und wenn, dann ist wahrscheinlich keine davon erhalten. Aber darauf, dass der Vergleich stimmt, besteh ich!)


POR - PRK 7:0


Da gibt's eigentlich nicht viel zu sagen. Portugal ist da, Portugal ist bereit, ins Achtelfinale aufzusteigen und sie haben endlich Tore geschossen. Sogar C. Ronaldo hat getroffen. Was das beim Team auslöst, ist eine andere Frage - für andere Gegner.


SPA - HON 2:0


Auch hier ist jemand endlich im Turnier angekommen. Zwar sind die Spanier durch den nicht ganz in Form agierenden Torres offensiv geschwächt, das hat aber heute David Villa wett gemacht, der, das wird noch abzuwarten sein, aber vielleicht im nächsten Spiel schon wieder fehlt. Und das kann gegen Chile unter Umständen zum Problem werden. Diese Gruppe H ist eigentlich eine ganz hervorragende Gruppe mit einem heißen Favoriten, der aber auch erst noch seine Rolle bestätigen muss, einer aufregend spielenden aber bisher ergebnismäßig noch nicht wirklich überzeugenden Wadlbeißermannschaft, einem alpintauglichen Massiv, von dem sich unsereins noch so einiges abschauen kann und einem Underdog, der sympathisch aber schön unauffällig agiert.

Die Spanier haben heute überzeugt. Aber man hat auch gesehen, dass Iniesta abgeht, dass Navas nicht alles gelingt und über Torres und Villa hab ich schon alles gesagt. Die Verteidigung aber steht und ist für Spanien ein verlässlicher Rückhalt. Pique hat zwar in den letzten beiden Partien schon gefühlte 2 Liter Blut verloren, aber dafür wird sein Auftreten immer imposanter: das Gesicht von Pflastern bedeckt, keinen Zweikampf scheuend, ist der baumlange Verteidiger auch für Offensivaktionen brauchbar.

Am liebsten hätte man in dieser Gruppe Spanien, die Schweiz und Chile weiter. Aber eine dieser Sachen mit der Vorrunde ist eben auch, dass am Ende zwei nach Hause fahren müssen, und letztlich ist es auch dieser Umstand, der das Element Spannung bringt. Und Spannung wollten wir ja auch. Tut halt manchmal weh... wie beim Strom. Großes Finale also zwischen Spanien und Chile. Frage: Kann Chile auch Defensive?


Spieler des Tages:

Ist Georgie Welcome (HON). Hatte vielleicht nur eine einzige Aktion, aber heute wird er Spieler des Tages nur des Namens wegen. Man stelle sich vor, ein spanischer Spieler verwendet das getauschte Trikot als Fußmatte - Pfui, Kolonialismus!





Kurz notiert:


Der ORF hat einen Vuvuzela-Filter. Das wurde gestern beim switchen zwischen ORF und ARD bemerkt. Großartig! Hurra! Mahlzeit, Mahlzeit, Chef-Menü!

Manfred Zsak verweigert sich wieder. David Villa wird seiner Aussprache nach zu einem Gebäude. Dafür heute kein latenter Rassismus: wahrscheinlich haben heute zu wenige Afrikaner gespielt.

Frankreich sucht den Maulwurf! Nein, das ist kein Titel einer französischen Gärtner-Castingshow. Es gibt einen Verräter im Team! Ist das nicht spannend? Wer wird es sein? Rein optisch tippe ich auf Raymond Domenech. Es soll aber einer von den Spielern sein. Also wird es auch für Frankreich nochmal spannend. Übrigens: Wenn Südafrika gegen Frankreich gewinnen sollte, wäre das für alle Beteiligten das Beste!

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