Freitag, 18. Juni 2010

Verspätungen

Wenn sich der Blog verspätet, muss etwas passiert sein. Über das Erwachen der WM.


Wir haben es ja gewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Wenige Tore, wenige Überraschungen - und so vertrieben wir uns die Zeit uns über die Tormannfehler lustig zu machen und uns über die Vuvuzelas aufzuregen. Das ist jetzt aber vorbei. Über Tormannfehler regen wir uns nicht mehr auf, weil sie mittlerweile schon zu dieser WM gehören wie die Vuvuzelas in die Stadien. Über Letztere regen wir uns nicht mehr auf, weil wir uns daran gewöhnt haben - wie man sich an Baustellenlärm gewöhnen kann; nicht richtig, aber die Aufregung ist es nicht mehr wert.

Ja was war denn da mit Spanien los? Haben die doch tatsächlich gegen die Eidgenossen verloren. „Erste große Sensation der WM“, hört man da alle sagen. Dabei haben uns die Spanier nicht einmal enttäuscht, denn das Spiel hat ja gepasst, nur scheint da irgendwas mit der Chancenverwertung nicht hinzuhauen. Anders die Schweizer, die den Ball ins Tor stolpern - was aber nicht heißt, dass die nicht sonst auch gute Chancen gehabt haben. Die Schweizer Abwehr hat den Charakter einer Skimannschaft - nicht sehr schön, aber effizient. An diesen Skifahrern, die auch nach der Verletzung des hässlichen Senderos weiter hoch konzentriert arbeiteten, bissen sich die Spanier die Zähne aus. Tikitaka, ja, aber irgendwie wirkten sie wie die Argentinier und die Holländer in deren ersten Matches - gute Kombination, ausgezeichnetes Passspiel, aber noch einen Tick zu langsam und faul, wenns dann wirklich zum 16er geht. Spanien absolut steigerungsfähig, die Schweiz mit Chancen aufs Achtelfinale.

Und Chile? Ist einer dieser wirklichen Geheimtipps. Das ist wohl der offensivste Fußball, den man als Konzept für die Mannschaft bei dieser WM sehen wird. Offensivlawine, kompletter Overload in der Hälfte des Gegners, viel Vertikalspiel. Das kann erfolgreich sein - vorausgesetzt, es passt auch hier die Chancenverwertung, man kann das Tempo über das Turnier halten und man trifft nicht auf eine Mannschaft, die von einem Kaliber wie Guus Hiddink trainiert wird (der ja eh nicht dabei ist, aber es gibt auch noch andere Teamchefs, die wissen, wie man auf so was reagieren kann).

Dann die große Enttäuschung - unsere herzallerliebsten Südafrikaner sind im Match gegen die Urus untergegangen. Letztere konnten sich im Vergleich zum Spiel gegen Frankreich merklich steigern - hatten es aber auch leichter gegen diese südafrikanische Mannschaft, die in der Verteidigung nicht immer aufpasst und im Spielaufbau an Österreich erinnert. Deswegen werden sie auch als erstes Gastgeberland in der Vorrunde ausscheiden, weil Mexiko sich gegen Frankreich steigern konnte und sich den Aufstieg zusammen mit Uruguay verdient. Frankreich verdient nichts. Auch nicht Spott und Häme, weil man ja eh vorher schon wusste, dass das heuer nix wird. Südafrika? Wir wünschen ihnen gegen Frankreich einen Sieg, von ganzem Herzen!

Die nächsten unglücklichen Afrikaner: Nigeria. Nach einer Führung gegen die ungustiösen Gammelgriechen ging mit Keita das Temperament durch. Der ließ sich zu einer Tätlichkeit gegen Torosidis hinreißen und sah dafür rot. Dumme Geschichte, ganz dumme Geschichte. Denn wenn du den Griechen die Chance gibst, dann holen sie sich den Treffer. Irgendwie. Leider hat der, nach dem ersten Spiel mit Lob überschüttete, nigerianische Torhüter Enyeama nach weiteren zahlreichen Glanztaten dann doch einmal Pech gehabt. Der Ball springt ihm aus der Hand, und der Hellene (ebenjener Torosidis) staubt ab. Ja, abstauben können sie, die Griechen! Jedenfalls lebt jetzt die Chance für die Griechen weiter - zumindest bis zum Argentinien-Match. Wir sehen uns jetzt gezwungen, die Südkoreaner bei ihrem Spiel gegen Nigeria zu unterstützen. Das ist schade.

A propos Argentinien. Auch die kommen jetzt richtig in Fahrt. Das 4:1 gegen die Südkoreaner war jetzt schön langsam eines Weltmeisters in spe würdig. An der Seitenlinie zappelte wieder der argentinische Voodoo-Priester Maradona auf und ab, sah dafür eine konstante Leistung seiner Mannschaft in der ersten Hälfte, die beinahe 2:0 geendet hätte... Wäre da nicht der dumme Demichelis, dieser Bayern-München-Ungustl, der sich stümperhaft von einem Koreaner den Ball abnehmen lässt, was den Anschlusstreffer kurz vor der Pause sichert. Also musste man in der zweiten Halbzeit wieder ran und einen komfortablen Vorsprung herausspielen. Und das taten sie dann auch, mit Messi als dem besten Spieler am Platz. Es ist aber wie verhext - der schießt und schießt kein Tor. Bezeichnend dafür das 3:1, das er super herausspielt. Der Schuss trifft aber dann das Bein des Torhüters, von dort kommt er wieder zurück zu Messi, der schießt nochmal, um dann nur die Stange zu treffen. Der Abstauber ist dann drin - Torschütze Higuain, der in der Partie 3 von 4 Toren erzielte. Tolle Vorstellung, wir freuen uns auf das Achtelfinale.

Frankreich. Raymond Domenech. An dem hat man sich genauso satt gesehen wie an den Evras, Maloudas, Anelkas und Henrys. Letzterer hat irgendwie Maskottchenstatus und wurde nichtmal zum Füßevertreten eingewechselt. Domenech wechselte sowieso nur zwei Mal. Wahrscheinlich hatte er keine Lust, genauso wie wir keine Lust mehr haben, diese Mannschaft zu sehen. Weg mit den Franzosen, schafft euch einen neuen Coach und eine frische Mannschaft an und kommt in zwei Jahren bei der Euro wieder. Da hätten wir mit den Iren, denen ihr mit einem Handspiel die Chance auf die WM vermasselt habt, mehr Freude gehabt. Für das Match gegen Südafrika wünschen wir euch wieder 0 Tore, damit dieser Domenech auch ganz sicher weg ist, und sich Südafrika anständig verabschieden kann. Au Revoir, Tricolore!

Wir sind also verspätet zu einem heißen Turnier mit anständigen Toren gekommen. Jetzt geht‘s also wirklich los. Für ein paar Zuspätgekommene (Frankreich, Südafrika) scheint es jetzt auch schon wieder vorbei zu sein. Wer zu spät kommt...

Nicht zu spät kommen möchte ich jetzt zum Deutschland-Spiel gegen Serbien, denn da erwartet uns wahrscheinlich auch wieder Einiges. Deshalb heute kein Kurz notiert. Für einen Spieler des Tages (der Tage) ist aber noch Zeit.



Spieler des vorgestrigen Tages: Diego Forlán, dem Uru-Bomber aus Madrid, Spielmacher und Goalgetter zugleich. Zwei goldene Schuhe hat er schon (die hatte er auch an, wie irgendein ORF-Experte, wahrscheinlich Zsak oder Mählich, meinte -huhuhu). Bei der WM wird‘s schwieriger, da spielt noch ein gewisser Higuain in einem besseren Team.

Spieler des gestrigen Tages: Lionel Messi. Weil er immer so viel lacht. Auch wenn er verschießt - er lacht. Die Verkörperung der Freude am Spiel, das kreative Herz der Argentinier (auch wenn wir gesehen haben, dass nicht nur er zaubern kann) und Quelle der Inspiration. Wir wünschen ihm - wenn schon nicht dem Rest der Mannschaft - den WM-Pokal.

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