Gewusst: Durchhalteparolen zahlen sich aus - auch wenn das bedeutet, dass der Anspruch sinkt.
Geklärt: Was das Deutsche an Dungas vermeintlich deutschem System ist.
Gefallen: Maicons „Augenschmäh“ hat uns gefallen.
Höhepunkt des Matches war aber zweifellos die Einwechslung Didier Drogbas, der entgegen vieler Ankündigungen nicht von Beginn an spielte. Naja, immerhin ist sein Arm noch gebrochen, also war das wahrscheinlich eine vernünftige Entscheidung. Jedenfalls setzte ganz dramatisch der Regen ein, bevor Drogba, der wirkliche panafrikanische Held, das Spielfeld unter tosendem Applaus betrat - nicht einmal die Vuvuzelas hörte man mehr. „Drogba, make Africa proud“, stand da auf einem Schild zu lesen und es war wieder einmal bemerkenswert, dass diese Fußball-WM nicht als rein südafrikanisches Ereignis betrachtet wird, sondern dass sich hier ganz Afrika als würdiger Gastgeber gibt. Und Drogba ist der Superheld, der Stolz Afrikas.
Interessant jedoch, dass, obwohl die Côte d‘Ivoire Drogba mehr als irgendwas anderes zu brauchen scheint, ab dem Zeitpunkt seiner Einwechslung nur mehr wenig lief und die Portugiesen wieder das Ruder an sich rissen. Bis dann in Minute 91 der Superheld höchstpersönlich eine Chance vorfand, diese aber vergab, was ihn wahrscheinlich vor der vorläufigen Unsterblichkeit bewahrte. Hätte er seinem Team durch diesen Treffer zu einem Auftaktsieg verholfen, wäre er zum Nelson Mandela des Fußballs geworden. Heldentum funktioniert also noch - zumindest theoretisch.
Ein bisschen heldenhaft fühlten sich wohl auch die Neuseeländer, die heute gegen die Slowakei ein 1:1 erreichten und damit den ersten WM-Punkt überhaupt für sich verbuchen konnten. Das ist dann schon großes Kino, vor allem, weil das Tor der Slowakei sowieso Abseits gewesen wäre, hätte das nur der Linienrichter auch erkannt. Dieses Unentschieden ist zwar noch nicht die ganz große Sensation, die Neuseeländer aber freuten sich den Arsch ab und jetzt wünscht man ihnen natürlich alles Gute für die nächsten schwierigen Matches gegen Italien und Paraguay, weil die Neuseeländer immer irgendwie sympathisch sind und sie heute trotz allem Kampfgeist bewiesen haben, der Gott sei Dank belohnt wurde. (War ja bis jetzt auch nicht immer so)
Und dann war dann noch diese seltsame Mannschaft aus Nordkorea, deren Fansektor aus - wie schon vermutet - wenigen, wahrscheinlich vom Führer höchstpersönlich ausgesuchten Fans bestand. Oder es waren ein paar Chinesen, die jene Karten ergattert hatten, die der nordkoreanische Fußballbund in China verschenkt hat - oder so. Es ist immer ein bisschen komisch, wenn man über diese nordkoreanische Mannschaft und über das, was dahinter stehen mag, nachdenkt. Sehen die Menschen in der Heimat überhaupt die Spiele? Schneidet das Fernsehen dann im Nachhinein die brasilianischen Tore raus? Dass es in Pjöngjang wohl keine Fanmeile gibt, scheint sicher. Aber dann stelle sich das mal vor, wie das für diese Spieler ist, von denen viele (alle bis auf drei Legionäre, soviel ich weiß) wohl noch nie aus ihrem Land herausgekommen sind - außer halt zu rein fußballerischen Zwecken. Und jetzt stehen sie auf dieser riesigen Fußballbühne und die ganze Welt schaut ihnen zu und im ersten Match geht es gleich gegen Brasilien. Was geht denen da durch den Kopf? Denken die sich wirklich alle „Ich spiele für meine Nation und meinen Führer, den großen Kim Jong Il“? Oder ist da auch Platz für andere, weniger regimetreue Gedanken? Die Vorstellung, dass das alles vom System geschundene Fußballsoldaten sind, ist grauenhaft und will nicht gedacht werden - auch wenn das vielleicht so ist, wovon wir aber wiederum gar nichts wissen.
Und was machen die? Die machen - zumindest eine Halbzeit lang - alles genau richtig! Taktisch hoch diszipliniert unterbanden sie praktische jede Offensivaktion der (zugegebenermaßen in der ersten Hälfte noch etwas trägen) Brasilianer. Letztere glaubten zunächst noch, so einen Koreaner könne man mit ein, zwei Übersteigern schwindlig spielen. Aber nix da, die ließen sich von der brasilianischen Geigerei gar nicht beeindrucken. Also mussten sich die Südamerikaner etwas anderes überlegen.
Und so kam es, dass bei Maicons Treffer zum 1:0 eine kurze Unachtsamkeit der beiden linken koreanischen Verteidiger ausgenutzt, und beim 2:0 die koreanische Abwehrmauer einfach mit einem genialen Pass und viel Laufarbeit aufgerissen wurde. Dass dann Nordkorea sogar noch ein Tor erzielen konnte, obwohl sie ab dem 0:1 unbeeindruckt weiter ihre Mauertaktik verfolgt hatten, ist schon ein Beweis dafür, dass es „kleine“ oder „ungefährliche“, sogenannte Jausengegner nicht mehr gibt. Freilich, Mannschaften wie Nordkorea werden wohl nie Weltmeister werden. Aber bloße Punktelieferanten für die Favoriten sind sie auch nicht mehr, dazu ist im modernen Fußball die Taktik zu wichtig und ausgefeilt geworden. Ein schöner Gedanke, denkt man an Unsympatler-Favoriten (wie Italien), die glauben, fürs Achtelfinale nix arbeiten zu müssen.
Spieler des Tages: Der mir bis jetzt eigentlich unbekannte portugiesische Linksverteidiger Fabio Coentrao, der die Elfenbeinküste zwang, sämtliche Angriffsbemühungen nur und ausschließlich über die andere Seite laufen zu lassen, weil er unglaublich gut aufpasste und auf seiner Seite gar nichts anbrennen ließ. Super Leistung und deshalb Spieler des Tages.
Kurz notiert:
Der nordkoreanische Stürmerstar Jong Tae-Se wurde von manchen mit Wayne Rooney verglichen. Im Interview gebot es ihm seine Höflichkeit, sich für diesen Vergleich natürlich zu bedanken und sich geehrt zu fühlen. Dann aber meinte er, er würde sich lieber mit Drogba vergleichen, dem ähnle er vom Spielertypus her mehr. Jetzt mach mal halblang, lieber Jong! Du kannst als Schurkenstaatbewohner unmöglich hergehen und dich mit dem afrikanischen Fußball-Messias vergleichen! Frech sind sie schon, diese Zinnsoldaten aus dem Land, in dem die Sonne nie untergehen darf. Tztz!Gervinho von der Elfenbeinküste ist nicht nur ein guter Fußballer. Er sieht auch irgendwie aus wie Samuel L. Jackson.
Auf der brasilianischen Trainerbank war heute hinter Dungas linker Schulter ein Herr zu sehen, der erschreckende Ähnlichkeit mit Hitler hatte. Das also meinen die Medien, wenn sie von „Dungas deutschem System“ schreiben! Carlos Dunga war heute übrigens auch zu sehen im feschen Wintermantel, Modell Russlandfeldzug.
Roman Mählich nannte es „Augenschmäh“: Das kurze Aufschauen Maicons in Richtung Strafraum, die Augen überweit aufgerissen, nicht um da irgendwen sehen zu wollen, sondern um die Koreaner denken zu machen „der spielt da jetzt rein“. Tat er aber nicht. Der schoss direkt, aus einem Winkel von 8,5 Grad. Unglaubliches Tor, unglaublich toller Augenschmäh.
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