Sonntag, 6. Juni 2010

Vom Größtmöglichen und Mindestnötigen

Maradona - der Größte aller Zeiten?

Es gibt nur einen Messi. Und es gibt nur einen Maradona. Zweifellos bot Lionel Messi in der vergangenen Saison eine herausragende Leistung. Also musste sich Maradona wieder Vergleiche gefallen lassen, die den kleinen Barcelona-Spieler fußballerisch gleichauf sahen, ihm eine große Zukunft prophezeiten usf. Aber kannte man das nicht schon? Gibt es nicht alle paar Jahre einen „neuen Maradona“?

Und warum Maradona? Der ist doch eigentlich nur mehr peinlich und größenwahnsinnig, oder? Vielleicht. Aber er ist eben auch der größte aller Zeiten - so sagt man zumindest. Und dieser Ruf ist seinem fußballerischen Können geschuldet. Und man kann sich streiten, ob nicht doch vielleicht Pelé der größere war oder irgendein Spieler der Fußball-Neuzeit (die spätestens seit dem Europameister Griechenland sich zeitet), da man ja Spielweise, Fitness etc. gar nicht mehr vergleichen kann usw.

Ja, aber dann kommt ein Messi und spielt wie einst Maradona. Und er zeigt uns, dass es noch möglich ist, das schöne Spiel; dass es nicht im taktikzerfahrenen Geplänkel zermalmt werden muss, sondern dass individuelle Klasse und Verspieltheit wieder Wert haben. Mehr Wert denn je, denn Spieler wie Messi machen - so hört man es von den sogenannten Experten - den Unterschied. Oft hört man auch „der kann ein Spiel allein entscheiden“, auch wenn das vielleicht Blödsinn ist. Der Zuseher aber sieht eines: Fußball kann (wieder) schön sein. Und das macht Spaß.

Um die leidige Messi-Maradona-Diskussion abzuhaken, hier nun meine Sicht der argentinischen Sache. Die argentinische Mannschaft ist nominell gesehen zu den Stärksten zu zählen und damit sind sie einer von einer Hand voll Titelfavoriten. Die Frage ist nun: Gelingt es Argentinien, sich in den Rausch zu spielen, den diese Mannschaft braucht um zaubern zu können - den Rausch, dessen spielerische Verkörperung Lionel Messi ist? Der Vater dieses Rausches muss und kann nur Diego Maradona sein. Man stelle sich vor, man ist Spieler der argentinischen Nationalmannschaft und hat das Glück vom Größten aller Zeiten trainiert zu werden. Oder das Pech - denn Maradona mag vielleicht ein Motivator sein, aber Taktiker ist er keiner. Sagen die Experten. Soll heißen: Argentiniens Spiel läuft entweder von selbst oder gar nicht. Anders formuliert: Entweder die mähen alles nieder oder diese WM gerät zu einer einzigen Peinlichkeit für die Gauchos.

Das bedeutet für Maradona: Entweder er wird wirklich zum Größten aller Zeiten - indem er nämlich als Trainer auch noch die Weltmeisterschaft holt (sagt Andi H.). Oder er wird zum Buhmann der Nation, womit sein Ruf angeknackst bleiben würde und man weiterhin Diskussionen zu führen hätte, ob er denn nun wirklich der Größte aller Zeiten sei. Hopp oder Tropp heißt es also für Argentinien. Und ob dieses Hopp funktioniert, ist gleichsam eine der zentralen Fragen dieser WM: Ist die Fußballneuzeit (Griechenland!) vielleicht nicht schon vorbei? Kann man mit bloßer taktischer Ausgefeiltheit und Brillanz Turniere gewinnen, auch wenn die großen Einzelgenies fehlen?

Freilich, es gehört immer beides dazu. Aber die vergangenen Großereignisse zeichnen ein zweideutiges Bild. Auf der einen Seite die EM von 2008 mit dem Europameister Spanien, der sich in die Herzen aller Fußballfans gespielt hat. Dann der FC Barcelona mit seinem Championsleague-Sieg im letzten Jahr, der das vermeintliche Griechenland-Trauma, das uns die EM 04 beschert hat (Defensivfußball: Jaja, taktisch total interessant, aber sind wir uns ehrlich: laaangweilig!), endgültig in Grund und Boden spielte bzw. es uns vergessen ließ. Aber dann gab es 2008 auch die Russen, die sicherlich ein, zwei gute Spieler hatten, deren Erfolg aber zu 90% auf die geniale taktische Leistung ihres Trainers Guus Hiddink zurückzuführen war, und die dann die anderen Vertreter des lustvollen Offensivspiels (Niederlande) ausschalteten. Und dann gewann Inter Mailand heuer die Championsleague, eine Mannschaft also, die traditionellen italienischen Defensivfußball mit einen ebenso genialischen Taktiker (Jose Mourinho) verband und damit sowohl die katalanische Verspieltheit (FC Barcelona), als auch den deutschen Herz- und Kampffußball (FC Bayern) zerstörte.


Was bleibt zu sagen? Dass es spannend wird. Aber das wussten wir vorher auch schon. Eigentlich weiß man im Fußball immer alles schon im Vorhinein. Der Reiz besteht ja meist darin, dass es dann doch nicht so ist. Der Reiz des Fußballs ist eine Enttäuschung auf der einen, zugunsten einer Sensation auf der anderen Seite. Wir schauen Fußball, weil wir enttäuscht werden wollen - aber bitte sensationell enttäuscht!

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