Freitag, 17. Juni 2016

Über die Hoffnung

Von Hegel gibt es bekanntlich den Satz, dass das Tragische an der Tragödie nicht ist, dass A Recht hat und B nicht, sondern dass beide Recht haben. Von Schneckerl Prohaska gibt es den folgenden Satz: "... Weil du oft sagst: gegen die haben wir keine Chance. Aber in Wahrheit rechnest du dir immer eine Chance aus!"

So weit eine solche Gegenüberstellung auch hergeholt scheint, Herbert Prohaska und Georg Wilhelm Friedrich Hegel haben mehr miteinander zu tun, als man zunächst glauben möchte. Die Tragik im Fußball liegt nämlich unter anderem auch darin, dass nicht immer der gewinnt, der gewinnen sollte. Gleichzeitig bezeichnet dieser Umstand die Hoffnung (für die Außenseiter) und die Angst (der Favoriten). Hoffnung und Angst treiben das runde Leder 90 Minuten lang zwischen A und B hin und her, die immer beide Recht haben.


Für Österreich hat das natürlich wieder bittere Folgen. Weil zunächst die Hoffnung die allergrößte war, und jetzt haben wir nicht einmal mehr Angst vor dem Ausscheiden, weil wir im Geiste (Hegel!) sowieso schon ausgeschieden sind. Unsere Chance ist jetzt eigentlich nur noch die, dass wir uns in unserer Grundbefindlichkeit der Erwartungslosigkeit suhlen können und urösterreichische Topoi abspielen können: "Warum immer wir?", "Die können ja sowieso nix.", "Zawos samma überhaupt dabei" etc.

Vollkommen fremd ist uns das, was die anderen kleinen Mannschaften auszeichnet (und eine solche sind wir - FIFA-Weltrangliste hin oder her): Froh sein, dabei sein zu dürfen und schauen, was geht. Sonst sind wir die Weltmeister des "Schauma moi", aber bei der Fußball-EM haben wir sogar das Schauen verlernt. Portugal - ein übermächtiger Gegner? Ohne Junuzovic und Dragovic eh keine Chance? Island viel zu stark? Ich würde sagen: Schauma moi!



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Weil wir vorher von der Tragödie gesprochen haben: Die große Faszination am Sport überhaupt, am Fußball aber im besonderen, ist, dass der Erfolg des einen die Schmach des anderen bedeutet. Nirgends wird das deutlicher als beim Fußball mit seinen wenigen Toren. Was viele Nicht-Fußball-Fans und Amerikaner an diesem uns so lieben Sport bemängeln, nämlich seine ihm scheinbar inhärente Langeweile aufgrund der meist wenigen Highlights, ist in Wahrheit der Zunder des Zurückhaltenden. Mir fällt nämlich spontan auch keine Sportart ein, in der, je höher die Spielklasse ist, desto weniger Punkte (= Tore) gemacht werden.


Bei dieser EM fällt auf, dass die wichtigen Tore alle sehr spät gemacht werden. Denn je später der Zeitpunkt, desto wichtiger natürlich das Tor! Das wissen vor allem die Franzosen, die mir nach zwei Spielen trotz aller Probleme wirklich gut gefallen. Da ist Herz dabei und ein bisschen Hirn auch, gepaart mit krassen Entscheidungen des Teamchefs Dechamps. Dann noch der einzige wirkliche EM-Held bisher, nämlich Payet, der jetzt bei zwei Toren hält. So wie Bale (zwei geniale Freistöße) und der Rumäne Stancu (zwei Elfmeter). Sind die Franzosen gerade dabei, sich in einen Groove zu spielen? Wenn ja, wäre es vielleicht schlecht, im dritten Spiel, das jetzt reine Formsache ist, die dritte Garnitur rauszuschicken, und stattdessen unbekümmert zu versuchen, mehr Tore früher im Spiel zu erzielen.


Und England? Zitterpartie gegen die wirklich guten Waliser, ebenfalls spätes (sehr spätes) Erlösungstor durch Sturridge. Zwei halbwegs gute Halbzeiten in zwei Spielen - das wird in der KO-Phase zu wenig sein. Und aufs Elfmeterschießen verlässt man sich als Engländer besser nicht!

Deutschland hat das typisch unbeeindruckende Spiel gegen Polen hinter sich gebracht, was erwartbar war und im Falle der Deutschen wie immer genau gar nichts aussagt. Auffällig war bei den Deutschen bisher sowieso nur Jogi Löw.

Heute sehen wir auch wieder den Europameister, dessen Ziel es zu sein scheint, den Gegner durch einkreisen im eigenen Strafraum zum Eigentor zu zwingen. Die Tiki-Taka-Revolution droht, ihre Kinder zu fressen. Irgendwann sind Abschlüsse eben auch gefragt.

Italien hat mich ebenfalls wieder überrascht, die gegen den Mitfavoriten Belgien ein taktisch solides Spiel gezeigt haben (in gewohnter italienischer Manier), zeitweise aber offensivfreudig auftraten und zwei wirklich schöne Tore geschossen haben. Die Schönheit schießt zwar keine Tore, sagt man, aber ganz außer acht lassen sollte man sie deswegen auch nicht, denn Schönheit macht sympathisch. (Siehe Holland bei der EM 2008!)

Belgien ist übrigens weder sportlich noch ästhetisch weg vom Fenster, da erhoffe ich mir noch einiges. Ins Achtelfinale zittern und dann ins Finale marschieren - diese Story gibt es ja auch immer wieder.


Beeindruckend sind auch bei diesem Turnier wieder die sogenannten Außenseiter, die allesamt wirkliche Qualitäten aufs Spielfeld bringen. Slowakei, Wales, die Ukraine und, ja, auch Ungarn sind würdige Teilnehmer dieser Endrunde und können zu den Stolpersteinen werden, die gerade in der EM-Geschichte oft auch sehr weit gekommen sind.

Nur die Russen wirken irgendwie abgemeldet- ein Status, den man schon am Gesicht ihres Trainers ablesen kann. Aber jede Tragödie hat auch ihre Bösewichte, verlogene Kammerdiener, eifersüchtige Nebenbuhler. Wieso sollte es im Fußball anders sein?


Welche Rolle Österreich in diesem Stück spielt? Schauma moi...









Hat in diesem Stück mit Sicherheit die Hosenrolle: Der älteste EM-Spieler aller Zeiten Gabor Kiraly (40).





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