Montag, 13. Juni 2016

Erste Brisen

Die EM hat Fahrt aufgenommen, und bevor sie zum großen Orkan wird, gilt es, sich die ersten Brisen, die einem schon um die Nase geweht sind, nochmal zu genießen:

Für Frankreich startete die EM mit viel Mühe - wie sich das für das Eröffnungsspiel gehört. Dass von den Rumänen letztlich doch nichts in Erinnerung bleibt, ist dem glänzenden Weitschuss von Dimitri Payet geschuldet, der die Gastgeber erlöst hat und stellvertretend für alle Franzosen - egal ob im Streik oder nicht - kurz danach in Freudentränen ausbrach, als er auf der Ersatzbank Platz nehmen durfte.
Frankreich spielte über kurze Strecken stark - ist aber von der Form vor zwei Jahren noch weit entfernt. Vielleicht täuscht aber die Last des Eröffnungsspiels über die wahren Qualitäten dieser Mannschaft hinweg, v.a. weil von Pogba und Griezmann noch viel zu wenig zu sehen war?

Das andere Team, das mir schon vor zwei Jahren gut gefallen hat, hat die beste erste Hälfte einer Mannschaft geboten, die es bisher zu sehen gab: England nämlich, die sich aus völlig unerfindlichen Gründen nach der Halbzeitpause dazu entschlossen, in der zweiten Hälfte nichts zu bringen. Dabei wäre die erste Hälfte so gut, so dynamisch, schnell und kreativ gewesen! Den Russen ist ja in der zweiten Hälfte ähnlich viel eingefallen wie in der ersten: nämlich gar nichts bis wenig. Trotzdem fühlte sich der Ausgleich in der Nachspielzeit irgendwie gerechtfertigt an. Und das darf aus englischer Sicht einfach nicht sein, will man dieses Jahr wieder ernst genommen werden! Den Russen empfehle ich Putin als Kabinenschreck, damit wenigstens die Angst vor dem Straflager ein wenig Motivation schürt, wo sonst nur augenscheinliches Desinteresse herrscht.

Kroatien macht dort weiter, wo es aufgehört hat, wenn auch mit einer ziemlich anderen Mannschaft. Trotzdem: das kroatische Spiel wird sich noch mausern (müssen), vor allem gegen die Spanier, die schon vor vier Jahren im letzten Gruppenspiel große Probleme mit den findigen Kroaten hatten (damals allerdings noch unter dem genialen Trainer Bilic). Das Spiel gegen die Türkei kam mit weniger blutenden Schädeln und Verletzten aus als dieselbe Begegnung bei der EM 2008 im Viertelfinale. Nur Corluka hielt sich an die Erwartungen und spielte schon bald mit blutendem Turban, und versuchte wohl so, die türkischen Spieler kulturell zu provozieren.
Diese revanchierten sich in der 41. Minute mit einer missglückten Kerze aus dem eigenen Strafraum, die der geniale Modric mit einem sensationellen Volleyschuss verwertete. Eigentlich hätte es auch 3:0 ausgehen können, aber die Kroaten sind bemüht darum, das bescheidene Balkanvolk darzustellen. Mal sehen, was denen noch zuzutrauen ist!

Am Abend dann der Weltmeister gegen die Ukraine: intensive erste Hälfte mit großen Chancen auf beiden Seiten. Sowohl Manuel Neuer als auch Andrij Pjatow reagierten in vielen Situationen großartig. Dass Deutschland trotzdem in Führung ging, war nicht nur zu erwarten, sondern auch irgendwie verdient. Trotzdem: so frech hatte die Ukrainer wohl niemand erwartet, und ihrem Agieren (man vergleiche dazu die Russen gegen England) war es geschuldet, dass wir die unterhaltsamsten 45 Minuten bisher geboten bekamen.
Deutschland hingegen ist nicht nur die "Turnier-Mannschaft", sondern auch jene, die gerne für bleibende Bilder sorgt. Diesmal waren es Boatengs spektakuläre Rettungsaktion, in der er eine ukrainische Großchance mit einem Fast-Eigentor vereitelte, das wiederum er selbst noch auf der Linie verhinderte. Wer's nicht gesehen hat, dem kann man's nicht erklären!
In der zweiten Hälfte lief generell weniger zusammen, man hätte sich da aus deutscher Sicht ein früheres 2:0 erwartet. Also wartete man, bis der Alt-Kapitän Schweinsteiger mit dem Grau-Färben der Schläfen fertig war und eingewechselt werden konnte. Wer das für einen bloßen Cameo-Auftritt hielt, wurde bald eines besseren belehrt: Aus einem Konter (die Ukrainer waren ja hinten natürlich schon offen wie ein Pavianarsch) flankt Özil genial dem Schweini vor die Haxn und der netzt doch tatsächlich nur wenige Augenblicke nach seiner Einwechslung- und kurz vor Schluss des Spiels - zum 2:0 Endstand ein. Auch so ein "memorable moment", von denen die Deutschen gleich zwei in einem Spiel fabriziert haben - womit es im Übrigen auch genug sein sollte!

Inzwischen spielt auch schon wieder der amtierende Europameister (ja, Spanien gibt es noch!) gegen die ehemaligen Dauer-Geheimfavoriten Tschechien. Also schnell wieder weg!


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