Freitag, 11. Juli 2014

Trotzdem Argentinien

Wir haben ein Finale, das nur einen Sieger kennen darf. Das ist zwar schade, aber leider auch gerecht.

 

NED - ARG 0:0 (2:4 n.E.)


Es ist soweit: Nach einem Spiel, das sich weigerte es dem Match Brasilien gegen Deutschland gleich zu tun, stand Argentinien als zweite Endspielteilnehmer fest. Holland gegen Argentinien, das war eine Abwehrschlacht zweier Mannschaften, deren Trainer die Hosen voll hatten. Es war das Match mit den wenigsten Ballberührungen im Angriffsdrittel beider Mannschaften; und es war jenes mit den wenigsten Schüssen. So verwundert es auch nicht, wenn die herausragenden Leistungen nicht von Robben und Messi erbracht wurden, sondern von Hollands Zentralverteidiger Ron Vlaar, der da hinten alles gesaugt hat, was an Angriffsbemühungen Argentiniens durch den niederländischen Abwehrwall durchdrang, und dem argentinischen Tormann Sergio Romero, der im Elfmeterschießen den Tim Krul machte. Tim Krul, der holländische Ersatztormann, der das Elferschießen gegen die Costa Ricaner zu einem Happening gemacht hatte, der aber diesmal auf der Ersatzbank bleiben musste. Denn Wechselgott van Gaal brachte sowohl de Jong als auch van Persie von Beginn an, die beide nicht fit waren und durch Clasie bzw. Huntelaar ersetzt wurden. Bruno Martins Indi musste aufgrund einer Gelbverwarnung Drayl Janmaat weichen, und so war das Wechselkontingent erschöpft - Tim Krul konnte nicht erneut zum Elfmeterkiller werden.

Ob Krul aber die Argentinier ähnlich beeindruckt hätte wie zuvor die Ticos, darf bezweifelt werden. Zwei Elfmeterschießen in Folge zu gewinnen, damit wäre überdies ein Finaleinzug auch nicht zu rechtfertigen gewesen. Holland muss froh sein, mit dieser Spielweise überhaupt so weit gekommen zu sein. 20 Minuten Offensivwillen pro Partie - das darf nicht auch noch mit einem WM-Finale belohnt werden.

"Trots" heißt 'stolz' auf Niederländisch. Ob die Niederländer so stolz sein können - ich weiß es nicht. Beachtlich war der Semifinaleinzug auf jeden Fall, weil unerwartet. Auf der anderen Seite des Stolzes steht der Trotz:

Denn was ist mit Argentinien? Mit der Albi-Celeste ist eine Mannschaft ins Finale eingezogen, die das gesamte Turnier über mit Unauffälligkeit "geglänzt" hat. Das argentinische Spiel wird von einem Trotzdem regiert. Das bedeutende Narrativ bisher war ein Messi, der zwar weit von seiner Idealform entfernt war, aber trotzdem immer spielentscheidend eingegriffen hat. Zwar hat keiner mit ihnen im Finale gerechnet, nun sind sie aber trotzdem da. Es ist eine Verwandtschaft zum deutschen Team zu erkennen, zumindest was die medialen Erwartungshaltungen an die DFB-Elf im Verhältnis zu den tatsächlichen Entsprechungen am Feld betrifft. Das Nicht-Spiel gegen die USA und die Zitterpartie gegen Algerien stehen im Zentrum dieses Bildes vom deutschen Team, das nicht zu sich findet. Überwunden wurde das dann mit Willens-Fußball gegen Frankreich und dem fulminanten Halbfinale gegen Brasilien, nach dem auffälligerweise niemand Parallelen zur Auftaktpartie gegen das desolate Portugal zog. Vielleicht, weil der Sieg gegen Brasilien im vorletzten Spiel des Turniers so viel wichtiger war. Vielleicht, weil die Mannschaftsentwicklung in den letzten Spielen so weit vorangeschritten ist, dass man nun weiß, wie und warum man sich diesen Sieg verdient hat.

Das soll heißen, dass Deutschland die gefestigtere Mannschaft ist. Nicht nur, was die Harmonie zwischen den Akteuren betrifft, sondern auch die gemeinsame Erfahrung, die man bei diesem Turnier gemacht hat. Psychologisch gesehen haben die Deutschen nämlich mehr durchzustehen gehabt als die Argentinier. Das bringt ihnen für das Finale den entscheidenden Vorteil, zusätzlich zu dem, dass man gegen Argentinien bisher gute Erfahrungen gemacht hat.

Die Argentinier wären ungeliebte Weltmeister. Nicht nur, weil sie den Titel in Brasilien holen würden. Mir fällt auch immer noch kein Argument dafür ein, dass Argentinien Weltmeister sein sollte. - Messi allein reicht nicht. Freilich, ein Spieler wie dieser verdient sich auch einen WM-Titel, ja es wäre schade, würde er keinen bekommen. Andererseits waren seine Leistungen in der Nationalmannschaft immer schon eher am bescheideneren Ende anzusiedeln. Messi ist mehr Spanier als Argentinier, er wurde bei Barcelona spielerisch sozialisiert und ist dort auch noch am besten aufgehoben. Bis jetzt musste er nie den Beweis antreten, dass er in einem anderen Team genauso funktioniert. Wie schwierig es ist, eine Nationalmannschaft um so einen Spieler herum aufzubauen, sah man vor vier Jahren und man sieht es auch dieses Mal.

Diese Aufgabe fiel Alejandro Sabello zu, einem nicht sonderlich großartigen Coach, der bis jetzt vor allem damit aufgefallen war, dass er sich von Lavezzi mit einer Trinkflasche bespritzen ließ, und einmal fast umgefallen wäre. Sabello ist bisher mit dem verhaltenen Spiel, das auf ein Messi-Wunder zu hoffen scheint, ganz gut gefahren. Die grauenhaft feige Aufstellung in der ersten Halbzeit des Spiels gegen Bosnien, konnte er aber nie wieder gut machen. Auch, wenn es heißt, er habe in Hälfte zwei auf Zuruf von Messi umgestellt. Sabello ist kein Weltmeistertrainer und ein Titel wäre auch für ihn nicht gerechtfertigt.

So bleibt uns einzig das Klangvolle, das dieses Finale hat, der Name: Deutschland gegen Argentinien. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Denn einerseits wäre Deutschland der würdigere und logischere Weltmeister, auf der anderen Seite fürchte ich mich vor zwei Dingen: Einen neuerlichen Kantersieg, den ich aber für unwahrscheinlich halte, weil das einen Freifahrtschein zum schlechten Benehmen bedeuten würde. Das andere, vor dem ich mich fürchte, wäre ein unverdienter Weltmeister Argentinien. Ein charmeloser, den dieses Turnier nicht verdient hat.

Inzwischen begnügen wir uns mit dem traurigen Spiel um Platz 3, das immer noch nicht abgeschafft wurde. Brasilien noch einmal auf den Platz zu zwingen, das grenzt an Perversion. Insofern wünsche ich der Selecao einen Sieg, der nichts besser machen würde. Und auch nicht würdiger. Aber erträglicher als eine zweite Niederlage wäre es allemal.
Ich bin gespannt, ob Holland sich im letzten Spiel nochmal zutraut so zu spielen, wie man es eigentlich immer könnte. Schließlich geht es ja um nichts, wie van Gaal immer betont...


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