Montag, 14. Juli 2014

Die Erlösung


Podolski junior mit Onkel Bastian

Das längst Fällige ist eingetreten. Ein würdiger Abschluss einer tollen WM.



Das letzte Spiel ist gespielt, die letzte Schlacht geschlagen: Deutschland ist Weltmeister. Und das zu Recht, denn das, was ich vor dem Spiel gesagt habe, dass es sich die deutsche Mannschaft aufgrund ihrer Entwicklung und den Leistungen in den letzten 10 Jahren verdient, das wurde gestern noch einmal verdeutlicht, als man die Gesichter von Klose, Schweinsteiger, Lahm und Podolski sah. Diese Hauptakteure der goldenen DFB-Generation, zusammen mit ihrem Trainer Joachim Löw, sind es, für die dieser WM-Titel so verdient kommt. Allen voran Schweinsteiger, der gestern im wichtigsten Spiel wieder die beste, die unmenschlichste Leistung zeigte. Als ich ihn vor 10 Jahren das erste Mal im Trikot der deutschen Nationalmannschaft sah, mochte ich ihn schon nicht. Damals war er ein lästiger Mittelfeldwirbler, das Trikot hing ihm fast bis zu den Knien und die Verbissenheit in seinem Gesicht mochte nicht zu seinem Alter passen.

Inzwischen hat er graue Schläfen und ist zum Leader dieser Mannschaft geworden. Eine Kampfsau sondergleichen, immer noch nicht sympathisch, aber respektabel in allen Belangen. Sein Cut unterm Auge - es passte wie die Faust aufs selbige. Sein Niederbrechen und Immer-wieder-Weitermachen in der Verlängerung - es war bezeichnend für ihn als Mensch und als Fußballer. Am Ende steht das schelmische Grinsen zusammen mit Lukas Podolski: "Schweini" und "Poldi" sind die Gallionsfiguren dieser deutschen Mannschaft. Philipp Lahm - ehemals auch so ein Knirps im zu langen Trikot - spielte diesmal zwar nicht sein bestes Turnier, aber auch er ist nun zu Recht Weltmeister. Miroslav Klose sowieso: WM-Rekordtorschütze und Spieler mit den zweitmeisten DFB-Einsätzen nach dem uneinholbaren Lothar Matthäus.

Dann die Akteure aus der zweiten Reihe: Sami Khedira und Mesut Özil - das Traummittelfeld von vor vier Jahren. Schürrle, Müller, Boateng und der großartige Manuel Neuer.

Und die Jungen, von denen man noch viel erwarten kann und muss. Goldtor-Schütze Mario Götze, das Kind. Und vor allem Toni Kroos, dem dieses Mal die Aufgabe zugefallen ist, das deutsche Mittelfeld zu stabilisieren, nachdem Khedira und Schweinsteiger verletzungsbedingt ausfielen bzw. nicht in Top-Form agieren konnten.

Und über allem thront der große Joachim Löw, der sich jetzt nicht nur FC-Tirol-Meistermacher und Stuttgart-Pokalsieger nennen darf, sondern eben auch Fußball-Weltmeister. Löw, der unbeirrt den von Klinsmann angefangenen Weg weitergegangen ist und so den deutschen Fußball von all dem Grauen befreit hat, mit dem man die Fußballwelt erschreckt hatte. Löw hat es erkannt und gestern nach dem Spiel auch nochmal gesagt "Nur mit deutschen Tugenden allein ist es nicht mehr gegangen". Und doch hat man diesen Titel auch mit diesen Tugenden gewonnen. Aber eben nicht nur. "Der Titel war fällig", meinte Löw. Und wenn man die Ergebnisse der DFB-Elf der letzten Jahre ansieht, und den Fußball genossen hat, den sie gespielt haben, muss man sagen: Da hat er Recht, der Herr Löw, zu dem jetzt so schnell keiner mehr Jogi sagt.

Zum Finale ist zu sagen, dass es vor allem in Hälfte eins wohl eines der ansehnlichsten der letzten Jahre war. Lange Zeit war für beide Mannschaften alles drin, und doch stellte man sich nicht hinten rein und wartete ab. Obwohl es bei Argentinien über weite Strecken so ausgesehen hat. Wer aber die WM bisher verfolgt hatte, wusste, dass das zu erwarten war. In den entscheidenden Situationen aber spielte Argentinien gefährliche Konter und scheiterte oft nur knapp.
Trotzdem: Ein Sieg Argentiniens wäre irgendwie nicht in Ordnung gegangen. Er hätte sich zu sehr auf diesem einen Spiel aufgehangen, das das beste der argentinischen Mannschaft bisher gewesen ist. Messi bekommt zwar nicht den WM-Pokal, wurde dafür aber zum besten Spieler des Turniers gewählt. Eine lächerliche Entscheidung, deren Trostwert zudem nicht gering genug eingeschätzt werden kann.

Deutschland ist Weltmeister und das ist gut so. Oft wurde die Christus-Erlöser-Statue an diesem Abend eingeblendet, und der Titel ist für die Deutschen auch so etwas wie eine Erlösung. Man sah es vor allem an Klose, der am längsten darauf gewartet hatte. Man sah es aber auch an Bundespräsident Gauck, der überglücklich war, so als hätte er gerade das erste Fußballspiel seines Lebens gesehen, und es war zufällig das gewesen, in dem Deutschland den WM-Titel geholt hat.
Gauck und Merkel mussten natürlich in die Kabine. Im ARD-Studio erinnert sich Mehmet Scholl an den EM-Titel von 1996, als nach dem Spiel Helmut Kohl in die Kabine kam: "Es war eng!" Und dann, in einem fast leeren Maracana-Stadion: Lukas Podolski schießt Elfmeter mit seinem kleinen Sohn. Die Tornetze sind schon abmontiert, in der Ferne stehen noch einige Fans, die jeden Schuss von Podolski junior beheulen. Das riesige Stadion, der kleine Fratz, ein lächelnder Vater, der gerade Weltmeister geworden ist: Fußball kann so schön sein - und dann wieder so bedeutungslos.

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