Freitag, 2. Juli 2010

Erinnerungen

An wen wir uns nicht erinnern werden.
Wer in Schönheit gestorben sein wird.

Und wer Weltmeister wird!


Von den letzten Achtelfinalspielen wird uns wahrscheinlich nur das Spiel Spanien gegen Portugal im Gedächtnis bleiben. Lange werden wir in ein paar Jahren herumrätseln, gegen wen der spätere Weltmeister Holland im Achtelfinale gespielt haben könnte, und falls es uns einfallen sollte, könnte es durchaus sein, dass wir die Slowakei mit Slowenien verwechseln. Auch dieses Spiel hat uns wenig von der holländischen Mannschaft verraten. Können die nicht mehr? Oder ist das einfach nur eisenharte Disziplin? Bis jetzt hat die Niederlande zusammen mit Brasilien und Argentinien das Optimum an Punkten geschafft. Heute wird eine der beiden Mannschaften heimfahren. Was schade ist, denn auch die Brasilianer haben im Spiel gegen Chile ihr hässliches Gesicht der Vorrunde (Dunga) zeitweise abgelegt - weil sie mussten. Schade auch, dass Chile weg ist, die Mannschaft mit dem interessantesten und mutigsten Fußball bisher. Es ist halt auch immer ein bisschen Pech dabei, wenn man im Achtelfinale schon gegen einen Titelfavoriten (aber sind das im Achtelfinale nicht schon alle?) ran muss. Denn in der KO-Phase zeigt sich dann doch endlich, was in der Vorrunde noch gefehlt hat: Dass die Favoriten auch so wie Favoriten spielen - nämlich mit Testosteron.

Chile hätte man einen Gegner wie Japan oder Paraguay gegönnt. Das Hurra-Geplärre nach dem letzten Gruppenspiel der Japaner war nur von kurzer Dauer, im Achtelfinale zeigten auch sie wieder ihr wahres Gesicht. Das einer Fußballnation nämlich, die durchaus ambitionierten und aufregenden Fußball, der auch erfolgreich ist, spielen kann, aber meistens nicht will. Aus welchen Gründen auch immer - das ist ja das: Bei den Japanern fragt man sich immer, warum die das machen (z.B. TV-Shows wie Takeshi's Castle). Das versteht kein Schwein. Und jetzt sind sie also weg. Schön war's, aber an euch wird man sich in vier Jahren auch nicht mehr wirklich erinnern, liebe Japaner!

Über Paraguay will ich eigentlich auch nichts schreiben, weil es sich nicht lohnt, weil die morgen Abend gegen Spanien rausfliegen und das war's dann - Deckel zu, Affe tot. Über Spanien allerdings möchte ich schon schreiben. Denn Spanien-Portugal, das war eine feine Partie. Einerseits weil die Spanier hier wieder sehr bestimmt und Euro-mäßig aufgetreten sind, andererseits weil die Portugiesen durchaus das eine oder andere Tor hätten schießen können, ja müssen, und dann steht's 1:1 und da ist dann, wie bekannt, alles möglich. Warum die Spanier kein zweites Tor geschossen haben? Weil sie eigentlich nicht mussten. Gleich wie die Niederländer gegen die Slowaken. Die mussten auch lange kein zweites Tor schießen. Dann haben sie aber doch noch eines geschossen, weil sie sich dachten, das ist gescheiter, weil zum Schluss schießen uns die Slowaken doch noch eins und dann schau‘n wir aber blöd aus der Wäsche und alle werden sie sagen: "Schau, die Niederländer sind gar nicht so gut wie sie immer tun!". Also haben die Niederländer das zweite Tor gemacht und tatsächlich hat die Slowakei dann noch den Anschlusstreffer erzielt, es war aber schon viel zu spät und jetzt sind sie eben vergessen und werden nicht als das Team erinnert, das den späteren Weltmeister im Achtelfinale in die Verlängerung gezwungen hat und damit an den Rand des Ausscheidens.

Die Spanier haben nach dem Motto agiert: "Wenn die Portugiesen bis jetzt kein Tor geschossen haben, dann schießen sie auch keins mehr". Also haben sie es bei einem Treffer belassen - das ist nur ökonomisch. Das sie aber hätten können, haben sie uns aber schon deutlich gemacht. Ich bin gespannt, ob gegen Paraguay wieder dieses schön verzerrte Spiel aufgezogen wird, bei dem Ramos von rechts hinten immer und immer wieder extrem giftig nach vorne stößt und Villa links vorne in die Mitte zieht wie der reinste Robben, nur halt von der anderen Seite. Und dahinter die Jonglierafferln Xavi und Iniesta, die im Kreis rotieren und die Spieler von der anderen Mannschaft aber immer ganz alt aussehen lassen. Nicht zu vergessen der Cro-Magnon-Mensch in der Innenverteidigung, Puyol, das Vieh, der dich beißt, wenn du ihm zu nahe kommst, oder der den Kopf so lange schüttelt, bis du den ganzen Schweiß seiner Mähne im Gesicht kleben hast - kein Vergnügen, für niemanden, denn auch der andere, Piqué, der Turm, ist kein feiner Gegner. Der narbenübersähte Barcelona-Spieler gönnt dir als Stürmer keinen Kopfball und du wirst auch nicht braun, weil du aus seinem Schatten nie rauskommst. Ja, ein würdiger Finalgegner für die Holländer wäre das, dieses Spanien, die Furia Rocha!

"In Schönheit sterben" ist so ein Satz, den man bei solchen Turnieren immer wieder hört, und meistens bezieht er sich auf die Niederlande. Diesmal wird man aber Argentinien gemeint haben, wenn man das Turnier revue passieren lässt. Die Argentinier spielen schon toll und man wird nicht ganz verstehen, wie es passieren konnte, dass man gegen Deutschland schon wieder im Elfmeterschießen ausgeschieden ist. Und Maradona wird mit Messi weinen, denn endlich wird der Floh sein überfälliges Tor geschossen haben, aber leider half es nichts, denn auch der deutsche Messi, dieser Özil, traf. Traurige Geschichte, wer hätte das gedacht?

Oder aber bricht diese deutsche Mannschaft doch wieder ein? Wird sie auf einmal wieder als Haufen von Kiez-Kickern und Rumpelbayern auftreten und von den Gauchos überfahren werden? Und was dann? Was passiert dann mit Spanien? Wer kann die schlagen, wenn nicht die Argentinier? Werden die Spanier sich am Ende mit den Urus um den dritten Platz duellieren müssen? Nein, nein, das ist alles ganz undenkbar, Spanien muss ins Finale, egal ob gegen die Deutschen oder die Argentinier. Deswegen geht's morgen bei ARG-DEU nur darum, wer dann gegen Spanien ausscheiden darf. Wozu also die Aufregung?

Wir sehen: Am Ende ist alles so einfach, so deutlich, so transparent, so "eh klar". Oder?

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