Donnerstag, 8. Juli 2010

Die Stille vor dem Finale

Das eklige Vieh hat‘s doch tatsächlich wieder gewusst. Gott sei Dank haben wir jetzt Ruhe von dem Oktopus und Stille vor dem Finale!


Es ist still. So still wie auf den Autobahnen gestern abend in Deutschland um 20.30 Uhr. Die WM ist vorbei. Keine Vuvuzelas, keine Schlander, keine tanzenden Afrikaner und keine Sambaklänge mehr. Auch Maradona hat ausgeweint, Italien schweigt schon seit Wochen. Die WM ist vorbei. Aus. Alles was bleibt ist ein langweiliges Spiel um Platz drei zwischen Deutschland und Uruguay. Und ein Finale, das uns einen neuen Weltmeister bringen wird. Einen, der noch nie da war und der es verdient hat. Die einen, die Niederländer, weil sie seit den 70ern zur Weltspitze gehören, und die anderen, die Spanier, weil sie gestern so unerbittlich gezeigt haben, wofür die ganze Welt sie bewundert: schönen Fußball, der auch effektiv ist. Die ganz großen Höhepunkte aber sind schon vorbei, wie der Verfasser dieses Blogs es vorausgesagt hat. Möge er sich doch auch in diesem Punkt irren.

Die Holländer gaben sich in ihrer Halbfinalpartie launiger als zuvor. Den Auftakt zur Launigkeit machte Gio van Bronckhorst, der mit seinem unglaublichen Weitschuss vielleicht das Tor der WM erzielt hat. Da schrie das Volk, auch jenes, das weder mit Uruguay noch mit Holland was anfangen kann, denn solche Schüsse ließ die WM bisher vermissen (der Jabulani war's, der eitle Flatterball!). Spektakulär waren bisher höchstens Schiedsrichterentscheidungen, Spielverläufe und verschossene Elfmeter, weniger die Tore. Können wir das nun also auch abhaken.

Spektakulär ging's dann weiter, denn auch Diego Forlán wollte beweisen, weshalb er zu einem der wichtigeren Spieler dieser WM gezählt werden sollte. Auch er drückte unerbittlich ab, auch hier ging der Ball aus großer Entfernung in's Tor, auch wenn hier Stekelenburg noch dran war, aber... Jabulani! Dann wand sich das Spiel ein wenig, so als wollte es nicht gleich in eine Richtung kippen, als wollte es halbfinalwürdig offen bleiben. Das Spiel aber entscheidet nicht selbst - Bert van Marwijk hatte nämlich anderes im Sinn. Also brachte er wieder mal Van der Vaart ("Wenn du dich benimmst, lass ich dich für die zweite Hälfte aufs Feld!", versprach er ihm wohl vor der Pause) für de Zeeuw, der in der ersten Hälfte ohnehin einen Fallrückzieher ins Gesicht bekam - und zwar den Schuh ohne Ball. Holland stellte etwas um, Van der Vaart machte das, was man unaufgeregt einen "solid job" nennen könnte, und Kuyt sah man nicht, weil er immer nur rannte - überall - und sich damit wieder mal zu einem wichtigen, aber übersehenen Spieler machte.

Doch dann kam Uruguay, verlangte nach der Führung, schließlich sei man ja nicht umsonst hier im Halbfinale. Van Bronckhorst klärte einmal allein im eigenen Strafraum und Forlán klopfte nochmal mit einem Freistoß an. Doch dann kam wieder dieser holländische Geist, der zu sprechen schien: "Jetzt langt es aber, wir machen hier mal was." Und so begab es sich, dass in drei Minuten der Sack zu war. Zwei Tore, eines von Sneijder, eines von Robben, sicherten den Niederlande genau jenen Vorsprung, den sie brauchten: 2 Tore, denn ein Gegentor war wohl noch eingeplant und das bekamen sie dann auch. Trotzdem es kurz vor Schluss so aussah, als könnten die Urus vielleicht noch den Ausgleich erzielen, war das Nötigste bereits in Minute 73 mit dem zweiten Treffer erledigt. Bis auf das erste Spiel gegen Dänemark, haben die Niederländer nun jedes Spiel mit einem Tor Unterschied gewonnen. Das erste Spiel wäre ja auch so geplant gewesen, scheiterte dann aber an den Dänen, weil die einfach keines mehr schießen wollten.

Der Fußball sieht heute so aus: Schieß ein Tor mehr als dein Gegner, alles andere ist egal. Nur, dass die Holländer halt gerne antizipieren, weil sie vorher wissen, wie viele Tore der Gegner schießen wird. Nur gegen Brasilien wussten sie es nicht. Da mussten nach einem Tor Rückstand eben zwei Tore her - so einfach war das. Und jetzt sind sie das einzige Team dieses Turniers, das noch kein Spiel verloren hat. Und das einzige, das einen Rückstand aufgeholt und ein Spiel gedreht hat.

Deutschland hingegen hat das gemacht, was Holland vor zwei Jahren gemacht hat: Alle mit spektakulären Ergebnissen gegen teilweise spektakuläre Gegner überraschen, sich in die Herzen der Fußballliebhaber aller Welt spielen und dann ausscheiden, wenn alle schon vom Titel träumen. Ich halte die Deutschen trotzdem für die Überraschung des Turniers. Vielleicht hätten ihnen viele ein Halbfinale zugetraut, aber sicher nicht die Art und Weise, wie sie sich dorthin gespielt haben. Keiner hätte vorhergesagt, dass Klose und Müller dermaßen aufgeigen. Man darf von diesem Team noch viel erwarten und wir freuen uns drauf.

Auch von den Spaniern darf man sich viel erwarten am Sonntag. Zwei große Leistungen dürfen sie nach dem Spiel gegen Deutschland für sich verbuchen: Konsequenten, technisch perfekten und schön anzusehenden Angriffsfußball gespielt zu haben, und dennoch kein Tor bekommen zu haben von diesen Deutschen, die zwar kaum über längere Zeit deutlich Druck machten, aber eben immer auch für ein Tor gut sind - das hat man ja gesehen. Die Verteidigungsleistung der Spanier gegen Ende war im Grunde phänomenal und zeigte: Man kann auch defensiv richtig effektiv spielen, wenn es sein muss. Will man aber eigentlich nicht, weil das nichts Wesentliches im spanischen Fußball ist und auch nicht sein soll.

Die beiden Finalteilnehmer sind also Mannschaften, die Spielwillen zeigen, die einen Plan haben, der ihnen auch meistens aufgeht. Das ergibt, betrachtet man jede Mannschaft für sich, Sinn und war bei keinem Team so stimmig wie bei diesen beiden. Nur, und da kommt jetzt der berühmte Sager von Sartre ins Spiel, wird das ganze eben dann kompliziert, wenn auch die andere Mannschaft mitspielt. Deswegen war das Spanien, das gegen Paraguay antrat ein anderes wie jenes gestern. Und wir sind gespannt, wie die Spanier es gegen die Holländer anlegen und was die Holländer im Schilde führen. Ich denke, sie möchten wieder aufholen. Ob es gegen die Spanier aber dann auch für ein zweites Tor reicht, wird eine Sache des Glücks sein. Und für den Fall der Fälle, ließ van Marwijk schonmal Elfmeter üben...

Wir sind jetzt am Ende einer langen Reise. Es gab Tage, da hing uns die ganze WM schon beim Halse raus, dann kamen die Viertel- und Halbfinalspiele, die uns den Atem stocken ließen, der Rest ist nur noch Draufgabe. Dennoch ließ es sich der Verfasser dieser Zeilen nicht nehmen, einen Flug nach Holland zu buchen, um dort das Finale mitzuerleben - damit es nicht ganz in Vergessenheit gerät. Inzwischen genießen wir die Stille...

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